Eine Brücke zwischen UWC und „der Welt da draußen“

Annegret Berne besuchte vor etwa dreißig Jahren das UWC Atlantic College und ist heute als Rechtsanwältin in Augsburg tätig. Seit einigen Jahren engagiert sie sich wieder aktiv und intensiv für UWC. Aber auch weit darüber hinaus. Am Tag der Offenen Tür des Robert Bosch Colleges treffe ich Annegret und sie erzählt mir von ihrem Engagement, was ihr am Herzen liegt und welche Botschaft sie für jüngere Generationen von UWC-Schülern hat.

(Text von Felix Kröner, UWC Costa Rica 2014-16)

Der Grill-Einladung einer ehemaligen UWC-Mitschülerin folgt Annegret vor einigen Jahren spontan und ist von den dort anwesenden Leuten so inspiriert, dass sie beschließt, sich wieder für UWC Deutschland zu engagieren. Sie stellt sich die Frage, wohin es mit UWC gehen soll und was es in der heutigen Welt eigentlich für eine Relevanz hat, abgesehen von ihren „wunderbaren Erinnerungen aus Wales“. Zunächst macht sie ein paar Mal bei Vor- und Hauptauswahlen mit und irgendwann fängt sie an, die Vertragsverhandlungen mit den Eltern zukünftiger UWC-Schüler aus Deutschland zu führen. Das macht sie bis heute. Wenn man Annegret danach fragt, wie einfach es ist, auch nach längerer „UWC-Auszeit“ wieder etwas zu tun, spricht sie über die Ronny-Kampagne. „Da gab es einen geeigneten Schüler, aber für die Finanzierung war nicht genug Geld da. Also habe ich auf eigene Faust einfach an ein paar Co-Years E-Mails geschickt, ganz nach dem Motto: Wir haben jahrelang nichts gemacht, ist es nicht mal an der Zeit, etwas zurückzugeben und sich wieder zu engagieren? Innerhalb von fünf Wochen hatten wir das Geld zusammen.“

Es ist ihr sehr wichtig, die UWC-Ideale in die Praxis umzusetzen. Sie möchte nicht nur UWC an sich unterstützen, sondern auch Projekte „in der Welt da draußen“, die den UWC-Werten nahestehen. Es geht ihr darum, die Brücke zwischen UWC und dem Mehrwert für die Gesellschaft durch UWC zu schlagen. Etwas, das sie ebenfalls dazu veranlasst, sich wieder mehr für UWC zu engagieren, ist die Flüchtlingskrise. Sie meint, dass man sich „doch gerade als Deutsche jetzt nicht einfach hinsetzen und sagen kann: ‚Da sollen sich jetzt mal Regierungen oder andere große Organisationen darum kümmern’.” In ihrer Generation von UWClern gibt es eine große Diskussion darüber, was denn falsch läuft in Sachen Migration. Annegret beschließt: sie möchte herausfinden, warum sich so viele Menschen in Schlauchboote setzten und ihr Leben riskieren, um nach Europa zu kommen. Das tut sie, indem sie auf eigene Faust, ohne Hilfe einer Organisation, nach Lesbos reist, um dort Geflüchteten Direkthilfe zu leisten. Annegret beschreibt, wie sie nach engem Kontakt zu vielen dort Angekommenen sagen kann, dass die bei Weitem häufigsten Gründe für eine Flucht nach Europa der Wunsch nach einem sicheren Platz und nach besserer Bildung für die Kinder sind. Da wird ihr klar, was UWC und die Flüchtlingskrise verbindet: es geht bei beidem um Bildung und Chancengleichheit. Syrien wird tagtäglich weiter zerbombt und kann nur wieder aufgebaut werden, wenn die Menschen, die dort leben oder lebten, Bildung genießen. Annegret beschreibt, wie sie Assad wohl nicht direkt bekämpfen kann, wohl aber Geflüchteten eine Tasse Tee, ein offenes Ohr und das Gefühl schenken kann, dass er oder sie ein gleichberechtigter Mensch ist. Das kann sie, das ist ihre Art, gegen den Krieg und die Zerstörung zu kämpfen.

Momentan beschäftigt sich Annegret viel mit der Verknüpfung von Freiwilligen mit Menschen vor Ort. Das tut sie über die von ihr gegründete Facebookgruppe „UWC x Refugees“. Flüge in Krisengebiete am Rande Europas seien zum Teil sehr günstig und folglich sei es vielen von uns, gerade im UWC-Kontext, eigentlich möglich, etwas zu tun. Sie versucht, die Hemmschwelle zu senken, einfach mal anzupacken und aktiv zu helfen, anstatt nur an eine große Organisation zu spenden. Trotzdem, unterstreicht sie, sei jede Hilfe natürlich gut und begrüßenswert. Und „das Gefühl, sich einfach mal ins Flugzeug zu setzen und tatsächlich mit eigenen Händen anzupacken“ sei einfach unbeschreiblich. Wenn Annegret mit Ehemaligen über ihre Erlebnisse spricht, sind diese auf einmal wieder begeistert und haben das Gefühl: „Ja, UWC bewirkt tatsächlich was und wir können auch etwas bewirken.“

Laut Annegret unterschätzen viele UWC-Ehemalige ihr eigenes Engagement, gerade Jüngere fühlen sich gedrängt, eine steile Karriere zu machen, dabei sei das doch gar nicht so wichtig. Annegret versucht, „einfach für Menschen da zu sein und ihnen zuzuhören. Das ist das, was ich geben kann. Ich bin keine Weltraumforscherin oder Millionärin, aber trotzdem, wenn ich es schaffe, UWC Deutschland mit den Elternverträgen zu unterstützen oder Geflüchteten in Notsituationen beizustehen, dann habe ich auch etwas beigetragen und das gibt mir auch was. Jeder von uns ist was Besonderes, aber wir sind nichts Besseres als der Rest der Welt. Das möchte ich vor allem den jüngeren Generationen von UWC Schülern mit auf den Weg geben.“