Als sich Phukets Flughafentüren das erste Mal für mich geöffnet haben, kam mir Thailands Hitze wie eine warme klebrige Wand entgegen. Alles war neu und sehr exotisch und Phukets Palmen und sattes Grün fast surreal. Es hat sich sehr aufregend angefühlt in Thailand zu leben und in den ersten Wochen hatte ich das Gefühl, jeden Morgen in einem Traum aufzuwachen – nach der Schule eine frische Kokosnuss zu trinken, von meinem Zimmerfenster den tropischen Regenwald zu sehen, waren auf einmal mein Alltag.
Meine Zeit am UWC war unglaublich aufregend, anstrengend, abenteuerlich und intensiv und ich bin für jeden Moment der letzten 2 Jahre dankbar. Mit so vielen unterschiedlichen Menschen in einem völlig neuen Land zu leben hat mir beigebracht, aufmerksamer und bewusster meine Umwelt und Mitmenschen und auch mich selbst wahrzunehmen. Ich habe durchgehend meine Komfortzone verlassen und versucht, jeden Tag etwas Neues zu lernen oder zu erleben. Ich habe thailändisches Essen probiert, viele von Phukets 43 Stränden erkundet, neue Freundschaften geschlossen, Yoga gemacht, Wörter auf allerlei Sprachen gelernt, war mit Haien tauchen und habe Gibbons in Phukets Nationalpark wiederausgewildert. Dabei sind die Tage so schnell verflogen und waren doch so vollgestopft mit Erlebnissen, dass sich die Zeit in Thailand völlig anders als mein normaler Rhythmus angefühlt hat. Jede Woche war voller Highlights, von denen mir so viele Momente wie zum Beispiel Mangroven pflanzen und Kletterausflüge oder all die spontanen Mitternachtsgespräche und Radtouren, in Erinnerung bleiben werden. Im trubeligen Boarding-House habe ich gelernt, mich an unerwartete Situationen anzupassen und mir ist bewusst geworden, wie unterschiedlich und doch gleich wir alle sind. Zum Beispiel habe ich Fahrrad fahren und Schwimmen können immer als normal empfunden. UWC hat mir gezeigt, was für Privilegien das sind, denn viele meiner Freunde haben dieses erst auf unserem Campus gelernt. Es gab aber immer Momente, die uns verbunden haben, wie Diskussionen oder die Freude, unser Lieblingsessen von zu Hause zu teilen. Wie oft saßen wir alle zusammen in der Küche und haben uns über noch so kleine Dinge wie frisches Marmeladenbrot oder Hotpot erfreut, die in der Ferne auf einmal eine ganz andere Bedeutung hatten und jedem ein bisschen Komfort von zu Hause geschenkt haben.
Am Anfang war ich etwas nervös, dass es mir nicht gefällt, ein Zimmer mit mehreren unvertrauten Menschen zu teilen. Ich hatte Angst, dass es Konflikte gibt oder ich nicht genug Rückzugsmöglichkeiten finde. Nach zwei Jahren mit ein bis drei Roomies haben sich diese Sorgen gelegt. Natürlich gibt es verschiedene Schlaf- und Temperaturpräferenzen, aber insgesamt habe ich es sehr genossen, mit so vielen unterschiedlichen Menschen zusammen zu leben. Ich habe meine Mitschüler*innen auf eine ganz neue Art und von ihrer unmaskierten Seite kennengelernt und sehr besondere Freundschaften geschlossen. Unsere gemeinsamen Erlebnisse haben uns sehr verbunden und zwischen allen Schüler*innen gab es eine große Solidarität. Wir waren uns unglaublich vertraut und haben uns immer unterstützt. Ob durch Hilfe bei Schulaufgaben, langen Gesprächen oder einfach nur einem Lächeln oder einer Umarmung. Durch das lange Zusammenleben sind wir wie zu einer Familie geworden. Besonders die Outdoorangebote und Reisen in den Ferien haben diese Verbundenheit verstärkt. In 30 Metern Tiefe, wo man nur mit Handzeichen kommunizieren kann oder inmitten von Bangkok ist unser Vertrauen noch mehr gewachsen.
Mit nur knapp hundert DP Schüler*innen waren wir eine sehr kleine, aber sehr enge Gemeinschaft. Dadurch konnte ich nicht nur einen engen Kontakt zu meinen Mitschüler*innen sondern auch zu meinen Lehrer*innen, Mentoren, unserer Schulleitung und meiner Gastfamilie aufbauen.
Als ich im Mai Phuket verlassen habe, bin ich mit dem Gefühl ins Flugzeug gestiegen, dass mich so viele Menschen hier von verschiedensten Seiten kennengelernt und mich auf sehr unterschiedliche Art geprägt haben: ein unglaublich schönes Gefühl.
Ich schätze, wie sehr wir Schüler*innen in wichtige Entscheidungen einbezogen und wie sehr unsere Meinung gehört und geschätzt wurde. Wir hatten großen Einfluss auf unsere eigene UWC Erfahrung und konnten neue Ideen für Aktivitäten, Themenwochen, den Campus und vielem mehr einbringen. Selbst in dem Auswahlprozess für die neue Schulleitung wurde die Schülerschaft sehr einbezogen. In diesem und vielen weiteren Momenten ist mir bewusst geworden, wie besonders dieses Vertrauen und unsere Schulgemeinde ist.
UWC und meine Erfahrungen in Thailand haben mir auch geholfen, mein Interesse für die Natur neu zu entdecken. Als Teilnehmerin und später Leiterin des Sustainabilitykomitees konnte ich dazu beitragen, unseren Campus nachhaltiger zu gestalten und das Umweltbewusstsein meiner Mitschüler*innen zu wecken. Besonders die großen Kontraste zwischen der vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt in Thailands Regenwäldern und Korallenriffen und der starken Umweltzerstörung durch Abholzung, Plastik- und Luftverschmutzung aus nächster Nähe zu erleben, haben mich motiviert, an verschiedenen Umweltprojekten teilzunehmen. Fast jeden Samstagmorgen habe ich im Nationalparkverbracht und dem Gibbon-Rehabilitationszentrum bei ihrem Projekt geholfen, missbrauchte Gibbons zu pflegen und wieder in die Freiheit zu entlassen. Zusammen mit Freunden haben wir Käfige geschrubbt und über mehrere Monate sogar geholfen, einen neuen Käfig zu bauen. Anfangs war die körperliche Arbeit sehr anstrengend, aber je mehr ich mich mit dem Projekt beschäftigt habe, umso mehr hat es mir gefallen. Unsere Gruppe wurde durch die verschiedenen Herausforderungen zu einem Team und ich habe die Zeit draußen im Regenwald sehr genossen. Mein Highlight war die Auswilderung einer Gibbonfamilie. Bei einer eintägigen Wanderung haben wir diese in Transportkäfigen die steilen Hänge des Nationalparks hinaufgetragen. Den Käfig zu öffnen, um die Gibbons freizulassen, war eine kleine Geste, die sich aber in dem Moment sehr besonders und bedeutend angefühlt hat. Die Erfahrungen von Beachcleanups und Tauchgängen habe ich auch als Inspiration für Projekte im Unterricht genutzt. Für meine Kunstausstellung habe ich mich besonders mit Überfischung und Haifang auseinandergesetzt und für Design mich mit einem Projekt über nachhaltige Flipflops beschäftigt.
Obwohl wir in Thailand sehr viel Glück und die meiste Zeit wenig Einschränkungen hatten, wurde meine UWC-Erfahrung sehr von Covid geprägt. In beiden Jahren mussten wir früher abreisen und waren als Campus für mehrere Wochen in einem Lockdown. Auch wenn wir unseren Campus nicht verlassen konnten, gehören diese Wochen, in denen wir in unserer kleinen Bubble gelebt haben, trotzdem zu den besten Momenten meiner UWC Zeit. Inmitten all der Unsicherheit haben wir uns darauf konzentriert, füreinander da zu sein und das Beste daraus zu machen. Wir haben uns verschiedene Aktivitäten ausgedacht, in denen ich meine Co- und 2nd-years noch besser kennen gelernt habe. Wir haben bis 3 Uhr morgens Pizza gebacken, zum ersten Mal Aqua Aerobics ausprobiert, Zumba getanzt, Karaoke gesungen, gelacht, geweint, uns Stunden lang umarmt und Erinnerungen durchlebt, während wir uns Tag für Tag von unseren Co- und 2nd-years verabschieden mussten. Als wir im August dann endlich wieder mit fast allen Co-years zusammen waren, sind wir uns mit einem völlig neuen Bewusstsein begegnet. Wir haben erlebt, wie schnell sich das Gewohnte ändern und wie schnell unsere gemeinsame Zeit vorbei sein kann. Deshalb haben wir jeden Moment umso mehr genossen und im zweiten Jahr trotz vermehrter Deadlines noch intensiver mit gemeinsamen Aktivitäten verbracht.
Das Ende meiner UWC Zeit war sehr intensiv und emotional, denn wie in meinem ersten Jahr wurden auch unsere Finals sehr kurzfristig abgesagt. Innerhalb von 5 Tagen mussten wir zusammenpacken und uns verabschieden, diesmal für immer. Obwohl mir dieser Abschied viel zu früh vorkam, waren diese letzten Tage sehr schön. Wir haben jeden Moment genutzt, um die Traditionen unserer 2nd-years fortzuführen und einen gemeinsamen Abschluss zu finden. Dabei habe ich versucht mich gleichermaßen von meinen Freunden und Freundinnen als auch dem Campus und der Umgebung zu verabschieden, die mir in den letzten zwei Jahren so vertraut geworden sind.
Nach meiner Zeit am UWC fühlt sich die Welt viel kleiner an, denn zu vielen Nationalitäten und Ländern kenne ich nun ein Gesicht und so viele verschiedene Geschichten und gemeinsame Erinnerungen.
Dies und viele weitere UWC Erfahrungen bereiten mich auch auf mein weiteres Abenteuer vor: ein Studium in den USA.