Erfahrungsbericht: Marlene über ihren ersten Term am UWC Atlantic

Marlene ist Stipendiatin am UWC Atlantic College im Jahrgang 23-25.

Es ist schwer in Worte zu fassen, wie viel ich in den letzten vier Monaten am United World College of the Atlantic erlebt habe.

Es fühlt sich wie gestern an, als ich die Bewerbung abgeschickt habe, ohne irgendeine Vorstellung, wie das mein Leben verändern wird. Seit der Zusage der deutschen UWC Stiftung habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie das Internatsleben sein wird und es stellte sich heraus, dass es ganz anders als erwartet ist.

Ich kam am 29. August 2023 mit meinen Eltern, Großeltern und meiner Schwester im College an und wurde sehr herzlich von Miriam, meiner deutschen Second Year, begrüßt. Mit Miriam hatte ich zum Glück seit meiner Nominierung für das Atlantic College schon Kontakt, und sie konnte mir alle meine Fragen beantworten. Die ersten Tage waren unglaublich aufregend. Ich habe direkt Freunde gefunden, mit denen ich mich super gut verstanden habe. Wir hatten sehr viele Schülervollversammlungen und Workshops, um uns den Start in das College Leben zu erleichtern. Uns wurde bei der Fächerwahl für das International Baccalaureate geholfen und die Regeln und Traditionen an der Schule erklärt.

Der Fokus war vor allem auf das Verstehen unterschiedlicher Kulturen und Gebräuche gerichtet, um Missverständnisse zu vermeiden und sich gegenseitig ehrlich und verständnisvoll Wertschätzung entgegenzubringen. Jede*r versuchte so viele Mitschüler*innen wie möglich kennenzulernen und alle waren unfassbar aufgeregt.

Es dauert einige Wochen, bis man seinen persönlichen Rhythmus gefunden hat, weil jede*r unterschiedliche Schulfächer und CAS Aktivitäten belegt. Der Schulalltag setzt sich aus vier Unterrichtseinheiten am Vormittag und außerschulischen Aktivitäten und Council Meetings am Nachmittag und Abend zusammen. Die Fächer rotieren, sodass man täglich einen anderen Stundenplan hat. Vor dem Unterricht wird in der Dining Hall Frühstück serviert, und zwischen der zweiten und dritten Unterrichtsstunde haben wir eine Snack Break, in der man sich trifft, Zeit miteinander verbringt, Musik hört, singt oder auch manchmal gemeinsam zu Liedern von beispielsweise Abba tanzt. Direkt nach dem Unterrichtsende gibt es Mittagessen, mit einer tollen Auswahl an Gerichten, unter anderem zubereitet mit Lebensmitteln aus den hauseigenen Gewächshäusern und Feldern. Am Nachmittag und Abend hat jeder seine individuellen CAS (Creativity, Activity und Service) Aktivitäten und Projekte.

Mein Stundenplan besteht aus drei Higher Level Fächern, drei Standard Level Fächern und ab dem zweiten Term zusätzlich noch Theory of Knowledge. Als HL Fächer habe ich mich für Biology, French B und Global Politics und als SL Fächer für Mathematik, German Self Taught und Economics entschieden. Mein Lieblingsfach ist definitiv Global Politics, weil man sonst nirgendwo die Möglichkeit hat mit Schüler*innen aus der ganzen Welt in einem Klassenzimmer zu sitzen und über internationale Politik zu diskutieren.

Dadurch, dass der Unterricht verhältnismäßig früh endet, kann man sich seinen Nachmittag individuell gestalten, trotzdem gibt es immer etwas zu tun. Neben Hausaufgaben und Lernen für Projekte und Tests finden an den Nachmittagen die CAS Aktivitäten statt. Als mein Creativity CAS habe ich mich für Amnesty International entschieden. Wir haben wöchentlich ein Meeting, in dem wir über Menschenrechtsverstöße aus der ganzen Welt lernen. Manchmal haben wir das Glück, Guest Speaker auf unserem Campus begrüßen zu dürfen. So hatten wir zum Beispiel vor den Ferien einen Gast, der bei Amnesty arbeitet und uns über die Todesstrafe, vor allem in den USA, aufgeklärt hat. Mein Activity CAS ist Mountain Biking. In unseren Meetings unter der Woche lernen wir, wie man mit Fahrrädern umgeht und sie repariert. Am Wochenende machen wir regelmäßig Ausflüge zu „Bikeparks“ in England und Wales.

Die Ausflüge geben mir die Möglichkeit, die Umgebung besser kennenzulernen, und etwas Auszeit vom manchmal stressigen Campusleben zu nehmen.

Als Service habe ich mich für “Keepers of the Castle” entschieden. Wir treffen uns wöchentlich und führen Projekte durch, um das Schloss, in dem sich unsere Schule befindet, in Stand zu halten und die Schulgemeinschaft über die Geschichte des Schlosses zu informieren.

Neben meinen CAS Aktivitäten habe ich mich in meinem Haus als Student Council Representative aufstellen lassen, und bin seitdem im “Schülerrat” aktiv und helfe dabei, Probleme zwischen der Schülerschaft und den Lehrern zu kommunizieren und zu klären. Außerdem bin ich Teil des String Ensembles und kann so meine Leidenschaft Musik mit meinem Umfeld teilen.

Wie schon angesprochen, kann das College Leben teilweise sehr stressig werden. Dafür bietet der Campus viele Möglichkeiten, um abschalten zu können. Direkt gelegen am Bristol Channel, haben alle Schüler*innen Zugang zur Seafront. Der Campus beinhaltet außerdem einen Wald und ein Feld mit Schafen und Eseln. Jedes Boarding House hat mindestens einen Quiet Room, der von den meisten Schüler*innen zum Lernen genutzt wird. Im relativ neuen „Moondance“ haben wir ein Gym, Dance Studios, ein kleines Café und eine große Sporthalle.

Letztendlich ist das Collegeleben ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Freundschaften entwickeln sich viel schneller, weil man vor allem in der Anfangsphase den ganzen Tag mit den gleichen Personen verbringt. Was mich am meisten überrascht hat, ist die Unterstützung, die man sich gegenseitig im Haus gibt. Es gibt immer Personen, die für einen da sind, mit denen man kocht und teilweise stundenlange Gespräche führt. Während der Winterferien ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie schnell man sich daran gewöhnt, dauerhaft unter Menschen zu sein. Es ist auf einmal ungewohnt, alleine zu sein und sein eigenes Zimmer zu haben.

Das Gefühl, nach den Ferien auf den Campus zurückzukehren und seine Freunde wiederzusehen, ist unglaublich schön. Ich bin so dankbar, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, an einem United World College zur Schule zu gehen, und kann mir mittlerweile gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne diese Erfahrung wäre.