Lea Seitter und Elias König – Freiburg

Lea Seitter und Elias König gehören zu den deutschen Schülern des Pionierjahrgangs in Freiburg. Wir haben sie am Tag ihrer Graduierung beiseite genommen und noch einmal zurückgeblickt auf zwei ereignisreiche und turbulente erste Jahre Robert Bosch College.

Lea und Elias, lasst uns noch einmal kurz die Zeit zurückdrehen: Wie seid ihr damals überhaupt auf UWC aufmerksam geworden und was hat euch gereizt, euch zu bewerben?

ELIAS: Ich bin auf UWC nur durch eine Kette äußerst glücklicher Zufälle gestoßen. Zunächst wären da die Memoiren meines Urgroßvaters, der mehrmals Begegnungen mit dem UWC-Gründer Kurt Hahn erwähnte. Außerdem wollte ich unbedingt für ein Jahr in ein anderes Land gehen und die große weite Welt erkunden. Als ich von den Stipendienmöglichkeiten hörte, schien das endlich in greifbarer Nähe. Ironisch ist, dass ich am Ende in Freiburg gelandet bin, also nur 200 km von meiner Heimatstadt Heidelberg entfernt.

 

Also war das Robert Bosch College nicht dein Wunschcollege?

ELIAS: Mein absolutes Wunschcollege war Hongkong, trotzdem habe ich mich natürlich super gefreut, als ich die Zusage bekam. Erstens war es mit Freiburg viel einfacher, meine Eltern zu überreden. Zweitens war mir schon damals irgendwie klar, dass das Wichtige an UWC für mich nicht unbedingt der Ort ist, sondern die Menschen – und die gibt es ja an jedem College.

LEA: Es gab damals ja auch noch gar nicht so viele Informationen. Beim Auswahlwochenende wurden zum College in Freiburg nur allgemeine Informationen vorgestellt, während zu den anderen UWCs Geschichten und Gesichter hinzukamen. Ich hatte damals übrigens meinen Realschulabschluss schon fast in der Tasche und habe nach einer Alternative zum deutschen Abitur gesucht, die mich sowohl vor akademische als auch soziale Herausforderungen stellt – durch ein Youtube-Video habe ich dann erst von UWC erfahren.

 

Könnt ihr euch noch an die ersten Tage am College erinnern?

LEA: Ich verbinde die Erinnerungen an die erste Woche am College mit Sonnenschein, einem Programm, das einen den ganzen Tag beschäftigt, und Abenden, an denen man ein inspirierendes Gespräch nach dem anderen hat.

ELIAS: Zu den ersten Tagen fällt mir vor allem eines ein: Eine unglaubliche Erlebnisdichte! Und so viele Eindrücke. Ich hatte kaum Zeit, Tagebuch zu schreiben, obwohl ich gerne alles festhalten wollte..

 

Ihr wart der Pionierjahrgang in Freiburg. Was hat es ausgemacht, zur ersten Generation zu gehören?

ELIAS: Unsere Schule war noch eine Baustelle als wir ankamen, und das wurde auch erst gegen Ende des ersten Jahres besser. Doch ich glaube, der sehr viel wichtigere Aspekt unserer Pionier-Erfahrung war der mentale. Es gab keine gefestigten Rituale und keine „Second Years“, die uns Freiburg zeigten oder mit dem IB halfen. Mich persönlich hat das erstmal ein bisschen verunsichert, aber nach zwei Jahren kann ich sagen, dass ich jedem eine solche Erfahrung empfehle. Was man dabei an mentaler Stärke hinzugewinnt, das kann einem keiner mehr nehmen.

LEA: Ja, genau, die ersten zu sein, hatte vor allem viele praktische Auswirkungen. Zum Beispiel die improvisierten Mahlzeiten, als die Mensa noch nicht voll funktionstüchtig war. Oder die Frage, ob das Schulgebäude denn rechtzeitig zum Unterrichtsstart fertig sein würde. Teil des Pionierjahrgangs zu sein, brachte einige Herausforderungen, mit denen die nächsten Jahrgänge nicht mehr konfrontiert sein werden. In den letzten zwei Jahren wurde viel ausprobiert. Auch was das Schulische angeht, war nicht immer klar, was uns erwartet. Niemand wusste so recht, ob das denn alles hinhauen wird. Aber wir hatten auch ein Jahr lang einen Campus auf dem nur einhundert Schüler lernen. Eine sehr intime und familiäre Gemeinschaft.

 

Und was hat sich verändert als letzten Sommer der nächste Jahrgang, eure „First Years“, ankamen?

ELIAS: Die Schlange in der Mensa wurde länger. Abgesehen davon, geht es glaube ich gar nicht so sehr darum, was sich verändert, sondern darum, dass sich etwas verändert. Das Robert Bosch College hat eine unglaublich dynamische Community, und das ist auch gut so. Die First Years kamen auch genau zum richtigen Zeitpunkt – als wir nach einem Jahr alle dabei waren, unsere festen Rollen einzunehmen.

 

Was waren für euch rückblickend die schönsten und härtesten Zeiten in zwei Jahren UWC?

LEA: Am härtesten war wahrscheinlich das dritte Halbjahr. Es waren nicht nur plötzlich doppelt so viele Schüler da, sondern es wurde langsam ernst. Entscheidungen mussten getroffen werden. Welcher Studiengang? Welche Universität? Gap Year: Ja oder Nein?

ELIAS: Bei mir waren die schönsten Momente auch irgendwie die schwierigsten: Zum Beispiel, mich nach zwei Jahren von allen meinen Mitschülern und Freunden, Brüdern und Schwestern, zu verabschieden. Oder beim gemeinsamen Musik machen, Weggehen oder über Gott und die Welt diskutieren – das Damoklesschwert der Vergänglichkeit hing immer über uns.

 

Was ist euer Lieblingsort hier auf dem Campus?

ELIAS: Mein Bett. Ich kann nur jedem zukünftigen UWCler ans Herz legen, Schlaf nicht zu kurz kommen zu lassen. Es mag zwar wie Zeitverschwendung erscheinen, aber ausgeschlafen hat man definitiv mehr vom (UWC-)Leben.

LEA: Dem Rat kann ich nur zustimmen. Mein Lieblingsort ist der Garten, weil er sich ständig verändert. Zur Erntezeit findet man jede Menge tolle Sachen zum Kochen, im Frühling wird es endlich wieder grün und es gibt jede Menge zu tun, und im Sommer ist es der perfekte Ort, um eine Pause zu machen oder eine gutes Gespräch zu haben.

 

UWC: Und wie steht ihr zu Freiburg?

LEA: Freiburg ist eine sehr schöne Stadt, die ich leider nicht gut genug kennengelernt habe. Der Campus ist zwar nicht weit von der Freiburger Altstadt, aber da die Internatshäuser alle an einem Ort sind, ist die Verbindung zur Stadt eine ganz andere, als wenn man wie Zuhause seine Freunde in unterschiedlichen Stadtteilen hätte.

ELIAS: Ich finde Freiburg auch sehr schön. Eine wunderbare Stadt mit unglaublich interessanten Leuten und einer atemberaubenden Landschaft. Ähnlich wie Lea bedaure ich auch ein bisschen, das nicht mehr ausgenutzt zu haben.

 

Was werdet ihr denn am meisten vermissen?

ELIAS: Eine so enge Beziehung zu meinen Freunden wie am UWC werde ich wohl erstmal länger nicht mehr haben. Das werde ich bestimmt vermissen, mit allen Vor- und Nachteilen.

LEA: Ich werde das Gefühl von Gemeinschaft vermissen. Ich werde es vermissen, jeden Morgen mit meinen Freunden zu frühstücken und das als selbstverständlich zu sehen. Ich werde es vermissen, sonntags morgens Naturdokumentationen zu schauen und dabei vegane Pfannkuchen zu essen.

 

Habt ihr noch einen Rat für zukünftige Robert Bosch College-Schüler?

LEA: Geht Campen! Entdeckt die Natur hier gemeinsam mit Freunden, auch wenn es kein Ausflug ist, der von der Schule geplant ist.

ELIAS: Neben genug Schlaf, würde ich diesen Rat geben: RBCler dieser Welt, entspannt euch! Nehmt euch ab und zu mal Zeit, einfach durchzuatmen. Relaxed lässt sich das Leben hier einfach so viel besser genießen.

 

Und wie geht es jetzt weiter mit euch?

ELIAS: Erstmal plane ich, in Berlin zu studieren, am liebsten Philosophie. Dann möchte ich eine große Reise machen. Was danach kommt, weiß niemand – und das finde ich super spannend.

LEA: Ich habe einen Studienplatz am College of the Atlantic in Maine. Ab September werde ich dort für die nächsten vier Jahre Human Ecology studieren.

 

Noch eine letzte Frage: Was ist für euch „typisch UWC“?

LEA: Typisch ist eine gewisse Herzlichkeit, mit der man in der UWC Welt aufgenommen wird.

ELIAS: Für mich sind drei Dinge „typisch UWC“: Ein grundsolider Idealismus, kritisches Denken und die Überzeugung, dass UWC etwas ganz Besonderes ist.