Der Campus in Costa Rica ist sehr groß. Nach dem Tor kommt das Fußballfeld, dahinter kommen die Klassenzimmer, die Mensa, ein großer Hof mit einem kleinen Amphitheater und ganz hinten unsere Residence Area. Wir haben acht Residences, die in einem Quadrat angeordnet sind. In allen wohnen maximal 24 Schüler, entweder Jungen oder Mädchen. Meine Residence heißt El Coco. Alle sind nach Stränden in Costa Rica benannt und so unterschiedlich wie die Leute auf dem Campus. Wir wohnen immer zu dritt in einem Zimmer. Meine Roomies kommen aus Argentinien und Vietnam.
Eines der Highlights des Schuljahres war der Unabhängigkeitstag von Costa Rica am 14. September. In Santa Ana gibt es eine große Parade. Die ganze Schule, jeder in seinem Nationalkostüm gekleidet, macht mit. Es wird getanzt, gelacht, es gibt laute Musik und ganz viel Spaß. Dort merkt man dann richtig, dass wir alle eine große Gemeinschaft sind, die allerdings aus so vielen unterschiedlichen Ecken der Welt geformt ist.
Der Unterricht selbst ist echt unglaublich und ganz anders als an meiner alten Schule in Wilhelmshaven. Er ist irgendwie aufgeweckter, fesselnder und insgesamt viel interessanter. Das kann natürlich einerseits daran liegen, dass ich wirklich die Freiheit habe die Fächer zu belegen, die ich will, aber andererseits auch daran, dass die Lehrer viel enthusiastischer und offener sind. Wir sind nicht unbedingt ans Klassenzimmer gebunden, sondern lernen auch oft draußen im Gras sitzend und sind viel selbständiger, was mir persönlich sehr gefällt und vorher, in Deutschland, gefehlt hat. Natürlich ist das IB um einiges anspruchsvoller, aber mehr in der Hinsicht, dass einzelne Themen viel tiefer behandelt werden und man lernen muss, Zeit effektiv zu nutzen, denn sonst wird es echt stressig.
Einige Wochen nach Schulstart kam dann noch das von allen sehnsüchtig erwartete CAS (Creativity, Activity, Social) dazu. Wir mussten alle mindestens zwei Aktivitäten wählen, so etwas wie AGs. Eine CAS-Aktivität über das Jahr ist Mural Painting. Wir bemalen Wände auf dem Campus und in Santa Ana. Außerdem noch Schwimmen und Dogland. Bei Dogland haben wir in einem Hundeheim freiwillige Arbeit geleistet. Außerdem haben wir ein neues Programm eingeführt, das „Agents of Change Program“. Unsere Aufgabe ist es, ein soziales Projekt zu entwickeln, welches wir in der zweiten Hälfte des Jahres in einer Gemeinde etablieren wollen. Ziel ist es, das Leben der Menschen in der Gemeinde zu verbessern und mit zumindest einigen der Probleme dort fertig zu werden. Ich habe mir La Carpio ausgesucht – das ist so etwas wie der Slum von Costa Rica. Von Drogen, über häusliche Gewalt und fehlender Bildung sind dort alle Probleme anzutreffen. Mit ein paar Leuten wollen wir eine Kunstwerkstatt aufmachen, in der wir den Bewohnern von La Carpio zeigen, wie sie Müll und Recyclingmaterial zu Kunst verarbeiten, die sie dann verkaufen können. Unsere Aufgabe wird dann hauptsächlich darin bestehen, Workshops zu machen, in denen wir den Teilnehmern zeigen, wie sie mit den Materialien umgehen und wie sie das Projekt auch selber leiten können.
Ich habe noch nie so viel in meinem Leben in so kurzer Zeit erlebt: Ich war in Nicaragua und Panama, habe Wale und Delfine in freier Wildbahn gesehen, Schildkröten am Strand beim Eier legen beobachtet, habe mit Faultieren und Leguanen zusammen gelebt, bin an wundervollen Stränden entlanggaloppiert, war an Korallenriffen schnorcheln, bin an „schlafenden“ Haien vorbei getaucht und lebe und lerne gemeinsam mit der Welt und kann wirklich das Leben leben, das ich mir gewünscht habe.
Im nächsten Jahr wird sich vieles für mich entscheiden. Ich werde mein IB machen und dann fertig mit der Schule sein, vorher muss ich mich bei Universitäten bewerben. Wie mein Fernweh und meine Abenteuerlust es so wollen, werde ich nicht zurück nach Deutschland kommen, zumindest jetzt noch nicht. Ich möchte in den USA oder Kanada studieren. Durch UWC steht mir die Welt offen. Diese Chance will ich mir nicht entgehen lassen.