Kressbronn im Spätsommer. Eine schwüle Hitze hat sich wie eine Dunstglocke über die Stadt gelegt. Die baden-württembergische Gemeinde am Nordufer des Bodensees kommt zur Ruhe. Anders sieht es bei Familie Gößwein aus. Es sind etwa vier Wochen vergangen seit die 18-jährige Sara-Estelle in ihren Heimatort zurückgekehrt ist. Schwer fällt es nach der Zeit am UWC in Flekke, Westnorwegen, in das frühere Leben zurückzufinden. Aufgeregt schwelgt Sara-Estelle im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung in Erinnerungen. In Norwegen musste sich die Schülerin ein Zimmer mit vier weiteren Mädchen teilen. “Da ist es schon wichtig, dass man sich untereinander gut versteht”, erklärt sie. Insbesondere müsse man die eigene Meinung offen mitteilen. Nur so kann ein harmonisches Zusammenleben mit circa 200 Jugendlichen aller Nationalitäten, Kulturen und sozialen Schichten überhaupt ermöglicht werden. „ […] ich fühle mich auf die Welt da draußen gut vorbereitet. […] Ich kann mich mit Menschen auf Augenhöhe unterhalten – egal, welche Kultur, Beruf, Stand oder Alter sie haben“, fasst Sara-Estelle zusammen und umschreibt in einem Satz wie sie durch das Lernen von und miteinander persönlich gewachsen ist und Neues über sich selbst lernen durfte.
Die Sorge zurück in Deutschland nach der ereignisreichen Zeit in Norwegen in ein Loch zu fallen, sei vorhanden gewesen. Schließlich spannte der Abschluss am UWC die Schülerin Vollzeit ein. Vormittags stand der Schulunterricht an, der am Mittag durch Arbeitsgemeinschaften wie Segeln oder eine Ausbildung als Rettungssanitäter abgelöst wurde. “Wir haben auch ein Team für die norwegischen Paralympics zusammengestellt und diese begleitet.” Zusätzlich gab es verschiedene Projektwochen, in denen unter anderem ein Promotionsfilm gedreht und ein Schülerchor ins Leben gerufen wurde.
Das Leben in Kressbronn erscheint Sara-Estelle im Vergleich zum Red Cross Nordic nun sehr gemächlich. Fast so als würde die Uhr hier ein wenig langsamer schlagen. Dennoch ist die UWClerin nicht traurig. Gerade auch, weil sie sich schon frühzeitig Gedanken über die Zeit nach ihrem Abschluss gemacht hat – ein Gap Year, in dem sie all ihre begonnenen Projekte weiter verfolgen kann. Das in Norwegen gewonnene Netzwerk an Kontakten auf der ganzen Welt ist geblieben und hilft der jungen Kressbronnerin nun ihre Pläne und Visionen weiter voranzutreiben. Natürlich vermisst Sara-Estelle auch ihre Freunde. Die nächste Reise nach Norwegen steht jedoch schon ins Haus. Ende September geht der Flieger erneut in den Norden – an Bord Sara-Estelle. Zunächst wolle sie ihren Freund Eirik besuchen und anschließend zur “Youth Peace Conference” nach Songdal weiterreisen, bei der sie ihren selbst komponierten Mottosong darbieten wird. Sara-Estelles Begeisterung ist ansteckend. Mit leuchtenden Augen erklärt sie der Schwäbischen Zeitung, dass sie sich ein Studium sowohl in Deutschland als auch im Land der Fjorde vorstellen könne.