Eltern-Erfahrungsbericht über die Collegezeit meiner Tochter am UWC Waterford in Eswatini

Susanna war 2019-2021 am UWC Waterford. Hier berichtet ihre Mutter, wie sie die Zeit erlebt hat.

UWC – das größte Tor zur Welt

Die letzten 3 Jahre könnte man bezeichnen, als das reale Abenteuer für Eltern und Kind. Unsere Tochter Susanna hat bereits in der 7. Klasse beschlossen, die 11. Klasse zu überspringen und dieses Jahr dann im Ausland zu verbringen. Nachdem sie sich mit allen möglichen unterschiedlichen Angebote auseinandergesetzt hatte, kam Susanna im Dezember 2018, da war sie gerade erst 15, zu uns mit der Aussage: Ich habe mich bei UWC beworben, ihr müsst hier nur noch unterschreiben. Oh, okay, dann machen wir das mal. Immer mit dem Hintergedanken, super dass die (damals) Kleine, das so alles regelt, aber wie groß ist bitte die Wahrscheinlichkeit das sie angenommen wird, zudem sie auf jeden Fall ein Stipendium braucht. Wie sich herausstellte war diese sehr groß.

Da Susanna diese zwei Jahre nutzen wollte, um ein völlig anderes Bild von der Welt zu sehen, war das UWC Waterford in Eswatini im Süden Afrikas ihr erster Wunsch und der erfüllte sich tatsächlich. Was nun folgte, war eine Zeit, in der, nachdem sie die Zusage für ein Stipendium bekommen hatte, viele Dinge geklärt werden mussten: Welche Impfungen braucht sie, welche Kreditkarte macht Sinn, was ist ein Affidavit, welche Krankenkasse braucht sie, welche Versicherungen usw. Die Monate verflogen und im Januar 2020 startet das Abenteuer in Frankfurt. Susannas erster Flug nach Johannesburg. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Plan, Weihnachten 2020 kurz nach Hause zu kommen und ansonsten die zwei Jahre in Eswatini und den angrenzenden Ländern zu verbringen. Keiner von uns hätte gedacht, dass sie viermal hin – und wieder zurückfliegen würde und dass wir teilweise innerhalb von Stunden Reisepläne machen und verwerfen müssten.

Aber der Reihe nach: Wie alle anderen Länder traf die Pandemie Ende März 2020 auch Eswatini. Eines Montagnachmittags bekamen wir dann panisch einen Anruf: “Mama, Papa, ab morgen ist die Schule geschlossen und wir müssen innerhalb der nächsten zwei Tage raus aus dem Land, da wahrscheinlich Südafrika alle Grenzen schließt, ich brauche einen Rückflug, am besten morgen“. Wie sich jeder vorstellen kann, war das nicht ganz so einfach und so verbrachten wir viele Stunden am Telefon, bis wir endlich einen Rückflug für den Donnerstag gebucht bekamen, in der Hoffnung, dass die Grenzen bis dahin offenbleiben würden. Die Schule organisierte die Transporte der Schüler zum Flughafen und Susanna landete Ende März zurück in Frankfurt.

UWC als Online-Erfahrung

Wieder Zuhause hieß es dann für Susanna 4 Wochen Ferien, bevor der hervorragend organisierte Onlineunterricht begann, wobei niemand von uns geahnt hätte, dass er ganze 9 Monate andauern würde. Während dieser Zeit müssen wir der Schule und besonders natürlich allen Lehrern ein Kompliment machen, denn sie haben die 4 Wochen Pause genutzt, um ein komplettes Konzept zu erstellen, sodass, im Gegensatz zu Deutschland, wo es nur schleppend anlief, der Unterricht in Waterford sofort durchstarten konnte. Was uns besonders beeindruckte war, dass Susanna, wenn sie Fragen hatte, ihre Lehrer anschrieb und auch innerhalb kürzester Zeit eine Antwort erhielt. Zudem waren die Lehrer zu ihren Unterrichtsstunden immer online präsent, so das Unterricht, Fragen, aber auch einfach Gespräche, immer möglich gewesen sind.

Insgesamt waren diese Monate jedoch für alle sehr anstrengend, da die Lehrer von den Schülern teilweise noch mehr forderten, als im Präsenzunterricht und Susanna viele 10 Stunden-Tage hatte, um Essays zu schreiben, Facharbeiten auszuformulieren oder für Klausuren zu lernen. Insgesamt kam sie des Öfteren an ihre Grenzen, da ihr auch stark der soziale Aspekt in Form ihrer Mitschüler fehlte. Gott sei Dank hatte sie in den ersten drei Monaten die Chance ihre Mitschüler vor Ort kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. In der Folge telefonierte sie oft mit Freunden in Moskau, Hongkong, Mosambik oder Eswatini. Darüber hinaus war sie in unterschiedlichen Lerngruppen mit Schülern aus den verschiedensten Teilen der Welt, die dann z.B. gemeinschaftlich Referate entwickelten und diese dann online präsentierten.

Endlich zurück auf dem Campus

Im Dezember kam dann die frohe Botschaft: „Die Flugzeuge fliegen wieder und Deutsche dürfen wieder nach Südafrika einreisen“. Also buchten wir den Flug für Anfang Januar 2021, nur um ihn dann wieder abzusagen. Denn die Flugzeuge flogen zwar wieder, aber Eswatini hatte gezwungenermaßen alle Schulen aufgrund der Pandemie geschlossen, so dass auch der Campus nicht zugängig war.

Mitte Januar erhielten wir dann die Nachricht, dass eine Einreise nach Eswatini per Flugzeug möglich sei, also hieß es wieder einen Flug buchen, diesmal nach Johannesburg und von dort nach Manzini, und das natürlich nur mit einem Coronatest. Da Susanna zu diesem Zeitpunkt noch nicht allein reisen wollte, buchte sie mit ihrer Mitschülerin aus Belgien zusammen den Flug und das Abenteuer begann ein zweites Mal. Wir brachten sie erneut nach Frankfurt und von dort funktionierten die Flüge endlich wie geplant, und auch die Abholung durch einen Mitarbeiter der Schule lief reibungslos. Superglücklich kam sie auf dem Campus an und genoss es, dass sich innerhalb der nächsten Woche die Schule wieder füllte und Präsenzunterricht – natürlich unter Coronaauflagen- wieder erfolgte.

Für uns als Eltern war es toll, wenn sie sich meldete, nur um die Erlaubnis zu bekommen, mit ihrer Linkfamily im Nationalpark zelten zu gehen, oder mit einer Freundin und deren Eltern 4 Wochen lang nach Mosambik zu reisen. Großartig war es auch, wenn sie uns Bilder schickte von den Zebras am Straßenrand oder auch den Giraffen auf dem Campingplatz. Allerdings musste man als Eltern auch aushalten können, von den Gefahren in Mosambik zu erfahren und darauf zu vertrauen, dass die doch erst 17jährige Tochter das alles regeln wird. Wie z.B. die Organisation der Rückreise nach Eswatini. Denn kurzfristig musste noch eine Klinik aufgesucht werden, um einen Coronatest machen zu können. Was uns hierbei immer beeindruckt hat, war, dass es immer Eltern von anderen Schülern gab, die Susanna bei sich aufgenommen haben oder auch bereit waren, sie zu fahren, obwohl sie eigentlich eine Fremde war. Das Netzwerk, das die Schüler untereinander aufgebaut haben, ist einfach bemerkenswert. Viele Wochen hörten wir auch gar nichts oder bekamen nur hin und wieder ein paar Bilder oder Videos von Events auf dem Campus zu sehen. Alles schien darauf hinauszulaufen, dass sie bis zu ihrem Abschluss auf dem Campus bleibt und in den Termbreaks durch Afrika reist. Corona schien uns das größte Risiko, aber da wurden wir etwas Besserem belehrt.

Nicht nur die Pandemie: Unruhen in Eswatini

Am 29.06.21 kam der Anruf: „Mama, Papa macht euch keine Sorgen hier sind Unruhen ausgebrochen, aber wir sind sicher. Wir hören Schüsse aus der Stadt, und wir sehen, wie es in der Stadt brennt, aber da Waterford auf einer Hochebene liegt, ist das kein Problem“. Wir dachten uns nur, „für dich vielleicht nicht, aber für uns schon“. Und jetzt waren wir froh, das wir darauf bestanden hatte, Telefonnummern von anderen Eltern zu erhalten, so dass wir uns mit den Eltern aus Belgien und Österreich austauschen konnten und somit auch mit mehreren Botschaften in Kontakt standen. Durch dieses Netzwerk hatten wir dann noch Verbindung zur amerikanischen Botschaft, so dass wir immer auf dem aktuellen Stand waren. Nach vielen Telefonaten mit der deutschen Botschaftsvertretung in Eswatini und mit Susanna, kam dann von ihr der Wunsch, doch lieber nach Deutschland zurückzukehren. Denn die Unruhen waren nicht kalkulierbar und das Internet war komplett abgeschaltet, so dass sie nur über die deutsche Mobilfunkkarte erreichbar war. Rückkehr nach Deutschland, gerne – aber wie? Da half uns die deutsche Botschaftsvertretung und ein glücklicher Zufall. Die deutsche Vertretung kümmerte sich um einen Termin zur Durchführung eines PCR-Tests, denn wir waren ja immer noch in einer Pandemie und die Einreise nach Johannesburg deshalb nur mit gültigem Test möglich und zu Glück erklärte sich Susannas Tutor bereit, sie an die Grenze zu fahren, wo uns der Zufall zur Hilfe kam. Der Vater der Kanadierin war zufällig in Johannesburg im Urlaub und holte nicht nur seine Tochter an der Grenze ab, sondern auch Susanna und brachte sie dann nach Johannesburg. Zudem besorgte er für sie die Erlaubnis nach Johannesburg einzureisen, denn dort herrschten zu dem Zeitpunkt strikte Ausgangssperren.

Am 03. Juli saß Susanna also mal wieder im Flugzeug nach Frankfurt. Zuhause angekommen ging das Online learning unverändert weiter, jedoch hoffte sie immer noch, zu ihren Examen wieder nach Eswatini zurückkehren zu können. Diese Zeit war für alle Beteiligten unglaublich anstrengend, da alle Lerngruppen online stattfanden und die Vorbereitung auf die Examen viel Disziplin erforderte. Für uns Eltern war es besser, ihr in dieser Zeit aus dem Weg zu gehen, da der Druck greifbar war. Zugleich waren wir aber als Familie froh, dass Susanna erstmal wieder aus der Gefahrenzone heraus war. Sie nutzte ihre Zeit in Deutschland auch, um sich impfen zu lassen, um so mit dem maximalen Schutz wieder zurückzukehren. Zudem war es eine glückliche Fügung, dass sie direkt in dieser Zeit 18 wurde und uns daher auffiel, dass ihre Kreditkarte mit dem 18. Geburtstag ablief, so dass wir auf die Schnelle noch eine neue organisieren konnten. Wäre sie in Eswatini gewesen, hätte sie ohne Geld dagestanden, wobei sich auch dafür eine Lösung gefunden hätte.

Ende August waren die Unruhen nicht völlig abgeklungen, aber das Land schien wieder so unter Kontrolle zu sein, dass Susanna es wagen wollte, zu den Mock Examen zurückzukehren. Also stieg sie am 07.09.21 erneut in Frankfurt in den Flieger und reiste dieses Mal allein nach Johannesburg und von dort nach Manzini und weiter nach Waterford. Auch dieses Mal ging Gott sei Dank alles gut und sie konnte sogar noch zwei Tage bei ihrer Link Family verbringen, bevor die Mock Examen starteten. Wir dachten so, jetzt läuft es … bis zum 13.10. Zwei Wochen vor den Examen ging es wieder los. Es wurden Angriffe auf die Schule befürchtet. Die Schule verschärfte daraufhin die Sicherheitsvorkehrungen. Niemand dürfte die Schule verlassen, selbst Day Students wurde geraten in der Schule zu übernachten, da der Bustransport zu gefährlich war. Die Regierung schloss mal wieder alle Schulen. Das Netzwerk von Eltern und Botschaften wurde wieder aktiviert und wir überlegten, wie ein Plan B aussehen könnte, damit Susanna irgendwo anders ihr IB beenden könnte. Aber nach tagelangem Hin- und Her beruhigte sich die Lage vor Ort insoweit, dass die Schule zwar weiterhin geschlossen blieb, aber alle Prüfungen stattfinden konnten.

Susannas beste Entscheidung

Inzwischen sind alle Examen geschrieben und Susanna plant nach ihrer Entlassungsfeier noch zwei Wochen mit Freunden durch Afrika zu reisen und dann Anfang Dezember wieder nach Hause zu kommen. Wir hoffen, dass bis dahin alles ruhig bleibt und sie gesund und munter, wie gewohnt, in Frankfurt landen kann. Wir könnten noch viele weitere Situationen ausführen, die im Laufe dieser zwei Jahre entstanden sind, wie z.B. ihre Malariainfektion, weil sie vergessen hatte, ihre Prophylaxe zu nehmen und es deshalb fast nicht ins Flugzeug geschafft hätte, oder ihr Laptop, das einen Tag vor ihrem Rückflug kaputt ging, oder ihre Facharbeit, die sie aus Schlafmangel vergessen hatte zu speichern, oder….

Sollte uns jemand fragen, ob wir Susanna nochmal erlauben würden, auf das UWC nach Waterford zu gehen, würden wir immer sagen: JA! Auf jeden Fall!

Die Schule ist großartig und die Erfahrungen die Susanna dort gemacht hat, die Menschen, die sie dort kennengelernt hat und das Netzwerk, das sie sich jetzt bereits aufgebaut hat, hat ihr einen Blick auf die Welt und ihr Leben eröffnet der unbezahlbar ist. Natürlich hätten wir uns das Ganze auch gern stressfreier gewünscht, ohne Pandemie, Aufstände, etc. Aber trotz allem können wir nur sagen, UWC war die beste Entscheidung für Susanna, die sie und wir hätten treffen können. Sie ist dort gereift und hat gelernt, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Wir sind gespannt, wo es Susanna noch hinführt nach dem Besuch des UWCs. Denn dort hat sie auch Universitäten kennengelernt, die nicht alltägliche Programme haben und sie hat schon jetzt Einladungen nach Moskau, Bangladesch, auf die Malediven und vielen anderen Punkten dieser Welt, um ihre Freunde zu besuchen und natürlich freuen wir uns auch über jeden, der bei uns mal vorbeischaut, um Deutschland kennenzulernen. Zum Abschluss möchten wir UWC Deutschland ein riesengroßes Dankeschön sagen, für all die tolle Unterstützung während der Zeit und das Stipendium, das einen Großteil der Kosten gedeckt und so diese Schulbildung für Susanna ermöglicht hat.

 

Nicole Jakob, Mutter von Susanna, UWC Waterford 2019-21