Erfahrungsbericht: Paula über ihren ersten Term am UWC Costa Rica

Paula ist Stipendiatin des UWC Jahrgangs 2023-25 am UWC Costa Rica. Hier erzählt sie wie ihre Ankunft am College war und wie ihr Alltag in Costa Rica aussieht.

Mein jüngeres Ich hätte wohl kaum erwartet, mich in einem anderen Land, ja sogar auf einem anderen Kontinent im Alter von nur 16 Jahren wiederzufinden. Ich träumte eher von einem Leben in der Nähe meiner Familie, in unserem kleinen Dorf. Nun ja, es ist alles anders gekommen.

Und weißt du was? Wenn ich die Wahl hätte, würde ich es wieder genauso machen.

Die Bewerbung und Auswahl

Alles fing an mit meiner Suche nach Universitäten: Ich las mir hunderte von Websites durch, ich stellte Listen auf, um alle möglichen Aspekte vergleichen zu können und schaute mir schließlich Videos an, um einen genaueren Einblick in das Leben an einer Universität zu erhalten. Bald stieß ich auf die YouTuberin Elena Handtrack, deren Kanalinhalt mir so gefiel, dass ich beschloss, all ihre Videos zu schauen. Wie sich herausstellte, besuchte sie ein United World College. Ich war sofort begeistert, besonders von der Internationalität auf dem Campus, doch es dauerte noch ein gutes Jahr, bis ich entschied, mich auch zu bewerben. Mit vielem Wörterkürzen in der 1.Auswahlrunde, großer Nervosität vor meinen Interviews (die ersten meines Lebens) während des Auswahlwochenendes und schließlich enormer Freude nach dem Erhalten der Zusage begann die größte Reise meines bisherigen Lebens. Das College in Costa Rica war von Beginn an mein Favorit und ich bin nach wie vor sehr dankbar dafür, nicht nur im Allgemeinen die Chance zu haben, die einzigartige UWC – Erfahrung machen zu dürfen, sondern auch noch in diesem wunderschönen Land, mit all den wunderbaren Menschen, die ich getroffen habe. Dankeschön.

Die Ankunft in Costa Rica

Am 03. August ging nun mein Flieger nach San José. Ich blickte der Zukunft mit Vorfreude, doch auch Ungewissheit entgegen. Es war das erste Mal für mich, länger als eine Woche von zu Hause weg zu sein, das erste Mal, mich mit den Menschen um mich herum auf Englisch zu unterhalten, das erste Mal, englischen Unterricht zu erhalten, das erste Mal ein Zimmer zu teilen, …. . Es gab viele “Erste Male”. Am Anfang war es deswegen auch recht herausfordernd. Die Zeit war keine schlechte, doch, um ehrlich zu sein, die am wenigsten gute meines Aufenthaltes bisher. Es wurden viele Kennlernspiele organisiert, akademische Orientierung fand statt und noch einiges mehr. An Aktivitäten mangelte es definitiv nicht – ich erinnere mich noch daran, gehofft zu haben, es würde weniger stressig sein, sobald der Unterricht begann. Der Stress nahm zwar nicht wirklich ab, doch der Unterricht gab mir eine gewisse Struktur, die mir sehr half. Bald hatte ich mich gut eingelebt.

 

Die Fächerwahl und der Unterricht

Das Schließen von Freundschaften spielte auch eine riesige Rolle – das Gefühl, jemandem auf dem Campus etwas zu bedeuten, mit jemandem reden zu können und zusammen zu lachen. Meine engste Freundin ist Brasilianerin und zusammen sprechen wir meist einen Mix aus Englisch und Spanisch – wir beide müssen ein bisschen an unseren Spanischkenntnissen arbeiten und das Sprechen der Sprache ist wohl eine der besten Übungen. Neben Spanisch B HL belege ich die folgenden Fächer: Biologie HL, Chemie HL, Englisch A Sprache und Literatur SL, Mathe AA SL und Anthropologie SL. Wie es vermutlich aufgefallen ist, bin ich definitiv eine Naturwissenschaftsperson. Ich liebe es, mich mit biologischen Themen auseinanderzusetzen und Sachverhalte durch chemische Prozesse erklären zu können. Klar bedeutet diese Fächerwahl eine Menge Arbeit, doch ich genieße es, mich (fast) täglich mit den Naturwissenschaften zu befassen. Noch bevor ich ans College ging, gefielen mir diese Themen, doch hier habe ich sie lieben gelernt. Das ist auch das, was mir am IB so gefällt – die Möglichkeit, seine Interessen noch weiter vertiefen zu können.

Außerdem wurde ich noch nie von so motivierten Lehrern unterrichtet, die (meistens) stets bei Problemen assistieren und den Wunsch, mehr zu lernen, gern erfüllen. Die mindestens zweimal wöchentliche Möglichkeit, mit den Lehrern Themen zu wiederholen und Fragen zu stellen (Tutorials) sowie weitere Gespräche außerhalb des Klassenraums sind nur ein Beispiel. Neben den typischen MINT – Fächern, begann ich hier auch, mich für die Gesellschaftswissenschaften zu interessieren. Zwar bereitet es mir nicht unbedingt Freude, Definitionen von anthropologischen Konzepten auswendig zu lernen, doch es ist mein erstes Mal, dass mir der Unterricht eines humanistischen Fachs Freude bereitet. Für mich ist Anthropologie das Studium unterschiedlicher Kulturen von deren Perspektive. Und ist das nicht eigentlich die Definition von UWC?

 

Der UWC-Alltag

Das Arbeitspensum ist hoch, nach der Schule (7:30 Uhr bis 13:25 Uhr) und einer Pause, um Mittag zu essen, zu lesen oder mich anderweitig zu entspannen, habe ich meistens CAS bis durchschnittlich um 16 Uhr, danach erledige ich für 1-2 Stunden Hausaufgaben oder Ähnliches, ich esse Abendbrot in der Cafeteria und lerne anschließend für 2-3 Stunden. Gegen 23:30 Uhr endet mein Tag. Lernen ist mein größtes Hobby und das kommt mir hier sehr gelegen. Doch auch andere Hobbys konnte ich hier kennenlernen: Im Rahmen meiner CAS – Aktivitäten beteilige ich mich beispielsweise bei Lifting Hands, übe meine Ausdrucks-fähigkeiten bei Mock Trial und trainiere Fußball. Lifting Hands ist eine internationale Organisation, bei der wir sozial bildende Aktivitäten vorbereiten (zu Toleranz, Akzeptanz und Wertschätzung anderer Kulturen,
persönlichen Grenzen, etc.) und diese ca. ein Mal monatlich mit den Kindern anlegender Schulen durch-führen. Die Erfahrungen, die ich dort bisher gemacht habe, sind unvergesslich und ich werde mich wohl immer gern daran zurück erinnern, wie die Kinder mit Freude etwas über Nationen erfuhren, von deren Existenz sie vorher gar nichts wussten. Außerhalb der CAS Aktivitäten führten wir bereits einige andere Aktionen durch, wie beispielsweise MUN (ich repräsentierte Tansania) und Agents of Change.

Das soziale Leben hier auf dem Campus ist, wie zu erwarten, divers: Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich von Freunden oder Tischnachbarn nicht etwas Neues über ihre Kultur, ihr bisheriges Leben oder Ansichten auf gesellschaftliche Themen lerne. Da meine Freunde hier zusätzlich aus ganz unterschiedlichen Gegenden der Welt kommen (Brasilien, China, Costa Rica, Marokko), darf ich dies noch stärker erfahren. Dieser Austausch findet friedlich und interessiert statt – warum kann sich der Rest der Welt kein Beispiel nehmen? Ich verstehe mich auch gut mit meinen Co-Years, verbringe jedoch kaum Zeit mit ihnen. Eine andere Person, die ich hier unweigerlich kennenlernte, ist natürlich meine Roomie aus Spanien. Trotz sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und insgesamt ein paar Schwierigkeiten kommen wir doch gut miteinander klar. Ich hätte erwartet, überfordert zu sein von dem Niemals-Allein-Sein, doch ich habe festgestellt, dass mir als Rückzugsort doch mein Zimmer (oder das Zimmer einer Freundin) genügt.

 

Abschließend kann ich nur sagen, dass ich alles wieder genauso tun würde: die Bewerbung, die Collegepräferenz, die Fächerwahl, alles. Die Zeit am UWC ist wie ein ganzes Leben unvergesslicher Erfahrungen, aber auch wie ein einziger Augenblick, der viel zu schnell vergeht. Und ich bin so unglaublich dankbar dafür, ihn erleben zu dürfen.