21 Monate Freiburg im Breisgau, leben in einer internationalen Gemeinschaft von mehr oder weniger Gleichaltrigen, sich gegenseitig und dadurch die Welt verstehen. Der Anspruch von UWC wird oft belächelt, auch von vielen Schüler*innen selbst. Meiner Ansicht nach geschieht das nur, weil »die Welt verstehen« so groß, fast lächerlich überdimensioniert klingt. Am Ende läuft es aber darauf hinaus; wohl oftmals auf eine Art und Weise, die nicht dem entspricht, was man sich von außen und überhaupt unter diesen Worten vorstellt, vielleicht nicht in absoluter Tiefe, und ganz sicher nicht in jeglichem Aspekt; aber doch behaupte ich, dass jede Person, die diesem Spektakel beiwohnen darf, am Ende ein gutes Stück mehr über das Zusammenleben auf dieser Welt erkannt hat. Ich will mit diesem Bericht gern festhalten, wie das für mich abgelaufen ist, was für mich Bedeutung hatte und was nicht, was ich erlebt habe und wie sich das nun auf mich auswirkt.
Das Herz meines Aufenthaltes im zweiten UWC-Jahr war meine Service-Gruppe, die ich als Teil des CAS-Programms durch und um den Klostergarten geleitet habe. Jeden Freitag trafen wir uns, den Garten zu bewirtschaften: Samen zu säen, Bäume zu pflanzen, Kompost zu schaufeln, Früchte zu ernten, Äpfel zu pressen und am Ende jedes Freitagnachmittags bei Brot und Apfelsaft zusammenzusitzen mit den Gartenfreiwilligen aus Freiburg. Ich hatte wirklich Glück mit meiner Gruppe und bin bis heute sehr dankbar für die Konstellation und jede:n Einzelne:n als wichtigen Teil unseres CAS´. Nach der letzten Schulstunde der Woche noch in den Garten zu kommen und 2,5 Stunden zu investieren, bevor man so richtig ins Wochenende starten kann, mag für viele abschreckend klingen. Für mich allerdings war es schon Teil des Wochenendes, ein wunderbarer Start hinein, und nach einigen Malen haben sich alle auf die Idylle zum Wochenendbeginn freuen können. Niemand von uns hatte vorher intensive Gartenarbeit betrieben, doch am Ende des Jahres war unsere Betreuerin glücklich wie nie, wir hatten in Gemeinschaft mit viel Freude vieles geschafft. Für den einen war die Arbeit im Garten meditativer Ausgleich zu den akademischen Anforderungen, für die andere produktiv gelebte Gemeinschaft, für mich war’s wundervoll, wie all diese Menschen, deren einziger Berührungspunkt oft der Garten war, zusammenkamen und sich aneinander erfreuten, sich verstanden und verständigten.
Menschen, die zusammenkommen und sich gut miteinander verstehen gab es auf unserem Campus recht häufig. Immer wieder wurden neue Freundschaften geschlossen und alte verliefen wieder im Sande – und das gehört auch einfach dazu. Wenn man so eng beieinander lebt, hat man auch oft zu viel von all den Menschen um einen herum, will Abstand und Ruhe, und die sollte man sich auch gönnen und nehmen. In Freiburg war das kein Problem, ab und zu muss man sich eben auch mal trauen »nein« zu sagen. Für mich waren Freundschaften trotz allem sehr wichtig und werden sich auch weit über die Zeit in Freiburg halten, da bin ich sicher.
Meine engsten Freunde habe ich im Klassenzimmer kennengelernt. Dramatisch ausgedrückt auf der dunklen Seite von UWC: in den Hallen des International Baccalaureate. Weniger dramatisch ausgedrückt, in der Zeit, in welcher ich für gewöhnlich den wenigsten Spaß hatte. Dass Schulsysteme im Allgemeinen eher nicht der größte Freizeitpark sind, ist wohl weithin bekannt. Das IB ist nun auch nicht dafür berühmt, eine Ausnahme von dieser Regel zu sein. Das IB ist anspruchsvoll und das sage ich mit reduzierten Lehrplänen und Prüfungen. Was es aber aus meiner Perspektive so anspruchsvoll macht, sind der Leistungsdruck und der Stress unter die man gestellt wird und sich stellen lässt. Viel Stress ist vermeidbar und damit auch viel Leid, indem man beispielsweise den Extended Essay nicht zu einer Doktorarbeit erhebt, sondern nüchtern als Chance auf Extrapunkte betrachtet. Viele Lehrer:innen zeigen sich auch unterstützend jeglicher Leistungsansprüche, die man sich selbst stellt, trotzdem muss man ihnen manchmal die Kante geben und sich bewusst machen, dass man schulische Leistungen niemals für die Lehrperson erbringt. Für mich hat sich als am hilfreichsten erwiesen, mir viel Zeit außerhalb des Akademischen zu geben, um Energie für die schulischen Dinge zu haben, die wirklich sein mussten und relevant waren.
Besagte engste Freunde habe ich übrigens in der Theaterklasse gefunden. Besonders dieser, aber auch andere Kurse, stellten für mich inhaltlich und/oder in der Umsetzung eine Bereicherung gegenüber meiner früheren Schule dar. Im sächsischen Abitur gibt es überhaupt gar keinen Theaterkurs, gar nicht zu denken ist an Anthropologie und Theory of Knowledge. Mein IB ist zwar in Deutschland nicht ganz so hoch angesehen wie das sächsische Abitur, das ich aufgeben musste, hat mir am Ende aber dann wohl doch mehr Spaß gemacht und das war es – in meinem Fall – wert.
Ich blicke positiv auf meine Zeit am UWC in Freiburg zurück. Natürlich war nicht immer alles wunderbar und es gab gute und nicht so gute Tage, aber wo gibt’s die nicht? Am Ende stehen für mich da eine Zeit mit vielen Erfahrungen, die mich als Menschen weitergebracht haben, viele Dinge, die ich gelernt habe und viele andere Menschen, die ich kennengelernt habe. Und aus den strukturellen Problemen, welche es natürlich gab, kann ich lernen, was selbst oder gar besonders an so einem Ort falsch läuft und was dagegen getan werden kann. Auch da sind typische gesellschaftliche Probleme und ihre Auswirkungen wiederzuerkennen. Aber diese Probleme stechen ins Auge vieler Jugendlicher, die damit nicht zufrieden sind und keine Ruhe geben werden, bis sie nicht wenigstens dort, an einem Ort mit so hohen Ansprüchen an seinen Einfluss, die großen Probleme gelöst haben. Denn was auf kleiner Ebene nicht funktioniert, das funktioniert in größeren Kontexten erst recht nicht.
Ich möchte abschließend (und vielleicht auch recht ernüchternd) noch anmerken, dass dieser Bericht gute zwei Monate nach Abschluss meiner Zeit am UWC in Freiburg entstanden ist und einige meiner Erfahrungen in der Zwischenzeit wohl schon romantisiert und andere verdrängt worden sind. Andererseits wird die Zeit meines Lebens, auf die UWC einen Einfluss hat, wohl größtenteils nach meiner aktiven Zeit dort liegen und deshalb erscheint es mir als sehr wichtig was ich am Ende aus dieser Erfahrung herausgenommen habe.
UWC ist eine Umarmung von sehr vielen Eindrücken, aber von Zeit zu Zeit sind Umarmungen eben auch ein kleines bisschen zu fest. Wichtig ist es deshalb wichtig, sich oft genug Zeit für sich selbst zu nehmen, sich überhaupt an erste Stelle zu setzen, den Mut zu haben, anzumerken, wenn die Umarmung ein bisschen die Luft abschnürt und sich auch ein Stück weit aus ihr herauszuwinden. UWC kann schnell zu viel werden, das ist klar, aber am Ende findet man dann doch sein persönliches Gleichgewicht zwischen den vielen Armen, die einen umschlingen möchten.