Michael Becker beschreibt sich selbst als “keinen eifrigen Alumnus”. Im Gespräch mit ihm wird jedoch deutlich, dass die Erinnerungen an seine zwei Jahre in Wales auch Jahrzehnte später noch in ihm lebendig sind und er sich gerne an diese Zeit zurückerinnert.
Bevor er Teil des Pionierjahrgang am ersten UWC wurde, besuchte Michael ein humanistisches Gymnasium, war jedoch immer neugierig auf die Welt da draußen und träumte von einem Auslandsaufenthalt. Seine Schule erfuhr zufällig von dem neuen College in Wales und schlug ihn der Auswahlkommission vor. Für die Auswahl fuhr er nach Bonn, wo er einen Sprachtest und mehrere Einzelinterviews durchlief. “Die Interviews müssen wohl gut gelaufen sein”, sagt er, denn als Schüler eines altsprachlichen Gymnasiums waren seine Englischkenntnisse bestenfalls beschränkt.
Mit Zügen und der Fähre machte er sich auf die Reise zum brandneuen Atlantic College. Die Schule war damals noch deutlich kleiner und so wohnten alle Schüler im Schloss – das, wie sich Michael erinnert, in hervorragendem Zustand un gut beheizt war, da es sich vorher im Besitz des Medienmagnaten William Hearst befunden hatte. Besonders beeindruckt war er von dem sommers wie winters offenen, da beheizten Swimmingpool. “Luxuriös” ist das Wort, mit dem er die Lebensumstände am College beschreibt.
Doch nicht nur die Annehmlichkeiten sind ihm in guter Erinnerung geblieben. Vor allem das enge Band zwischen Schülern und Lehrern beeindruckte ihn. Nach seiner Erinnerung machten alle eine gemeinsame Entwicklung durch, die durch die neuen Erfahrungen beeinflusst wurde. “Neue Schulen sind immer lohnend und besonders, wegen des Enthusiasmus, der herrscht”, sagt Michael. Der größte Unterschied zu seinem humanistischen Gymnasium in Deutschland war für ihn die Wertschätzung, die er für seine Mitschüler und Lehrer empfand. “Ich dachte vorher, das interessante Leben beginnt danach”, doch der Aufenthalt am UWC war offenbar schon eine intensive und lehrreicher Erfahrung, als die Bewegung noch in den Kinderschuhen steckte.
Das Interesse an Bildung wurde Michael Becker von seinem Elternhaus mit auf den Weg gegeben. Sein Vater gründete das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und auch er selbst war unter anderem als Betreuer eines Doktorandenprogramms tätig. Später wechselte er in die Wissenschaftsverwaltung. Während seiner gesamten beruflichen Laufbahn verlor er nie das Interesse an anderen Ländern und Kulturen, fuhr regelmäßig dienstlich in die USA und nach England und verbrachte viele Urlaube in Frankreich. Besonders seine Kenntnisse des Englischen hätten ihm beruflich sehr geholfen, berichtet Michael. Diese hätte er sich am humanistischen Gymnasium wohl kaum aneignen können und so nie die Chancen gehabt, zu denen ihm UWC als internationale Schule verhalf.
Über all die Jahre hinweg verlor er nie ganz den Kontakt zu UWC und seinen ehemaligen Mitschülern. Immer wieder machte er auch Zufallsbekanntschaften, die sich als UWC-Alumni herausstellten und stellte kürzlich sogar beim Tag der offenen Tür des Stiftungsbüros in Berlin fest, dass langjährige Freunde von ihm ein Enkelkind am Robert Bosch College haben ohne, dass er davon gewusst hatte.
Während unseres Gesprächs wechselt Michael zwischen Skepsis und Neugier gegenüber den Neuerungen, die die Welt von UWC seit seiner Zeit erfahren hat. Die Schulen – er nennt sie alle Atlantic Colleges – haben sich stark verändert: von der Einführung des IB (das ihn sehr interessiert) zur Eröffnung eines UWC in Deutscland (dem er zuerst kritisch gegenüberstand, das er durch die positiven Erfahrungen des Enkels seiner Freunde jetzt jedoch wohlwollender betrachtet). Das alles sind Entwicklungen, die Michael Becker zwar aus der Ferne, aber dennoch mit Interesse verfolgt. Gespräche mit jüngeren Alumni haben ihm gezeigt, dass die Erfahrungen zwar deutliche Unterschiede aufweisen, der Kern von UWC aber derselbe geblieben ist.
Auch wenn über die Jahrzehnte die Erinnerungen zu verblassen beginnen und die UWC-Erfahrung eines von vielen prägenden Erlebnissen wird, man merkt im Gespräch mit Michael Becker, dass UWC einen nie ganz loslässt.