UWC und das Meer

Ihre Collegeerfahrung und die Liebe zur Unterwasserwelt Thailands haben Michael Bannick (UWC Atlantic College 1968-88) und Sarah Lührmann (UWC Thailand 2016-18) zusammengebracht. Sarah lädt uns ein auf einen Tauchgang zu den schönsten Korallenriffen und zu denen, die sie schützen wollen. Und sie erzählt von einer Freundschaft, die zeigt, was UWC ausmacht.

Eines ist klar: UWCler trifft man überall. Menschen miteinander zu verbinden und ein Netzwerk Gleichgesinnter zu knüpfen, gehört zum UWC-Leitbild. Das Ganze war also schon lange kein abstraktes Konzept mehr für mich: Am Flughafen, im Supermarkt und sogar auf dem Damen-WC eines Ed Sheeran-Konzertes habe ich schon die ein oder andere UWC-Bekanntschaft geschlossen.

Michael Bannick lernte ich jedoch weder am Flughafen noch im Supermarkt kennen (und zum Glück auch nicht auf dem Damen-WC), sondern in den Tiefen des Andamanischen Meeres.

Naja, zumindest im übertragenen Sinne. In Wirklichkeit begegneten wir uns zwei Monate zuvor in dem hellgrün gestrichenen Biologieraum des UWC Thailands. Zu diesem Zeitpunkt verband uns vor allem eines: das Streben nach dem Schutz der farbenprächtigen Unterwasserwelt Phukets. Unser collegeinternes Projekt „Marine and Animal Nature Trust Association” (MANTA) machte sich genau das zur Aufgabe.

Mit dem klaren Ziel vor Augen, zur Erhaltung beeinträchtigter Korallenriffe beisteuern zu wollen, konzipierte das MANTA-Team umfassende Mechanismen, geeignet für die Gesundheitsüberwachung der Korallen Phukets. Zwar war es uns letzten Endes gelungen, spezielle Vorgänge für zukünftige „Coral Monitoring Dives” auszuklügeln (welche entscheidende Daten an Meeresbiologen liefern und uns in der Konstruktion einer „Coral Nursery” wichtige Anhaltspunkte darlegen würden), unser Projekt stand jedoch trotzdem noch auf wackeligen Beinen. Mit fehlender Tauchausbildung und limitierten finanziellen Mitteln, schien es MANTA an allem außer Engagement und Hingabe zu mangeln. Wir steckten in einer Sackgasse und zweifelten an der Möglichkeit, eine Tauchschule zu finden, die sich, abseits vom Massentourismus, nicht nur mit unseren Wertvorstellungen identifizierte, sondern auch bereit dazu war, mit uns für eine nachhaltigere Zukunft zu kämpfen.

Schnell lernte ich jedoch, das UWC-Netzwerk nicht zu unterschätzen. UWCler gibt es nämlich in fast jeder Branche, an jedem Ort und mit jeder Beschaffenheit – auch in Phuket, als Tauchlehrer mit einer eigenen Tauchschule, die auf naturbezogene und umweltbewusste Tauchgänge spezialisiert ist. Kurzum: Als alteingesessener UWCler und erfahrener Tauchlehrer mit endloser Begeisterung für das Meer schloss sich Michael (ich hab’s mal spaßeshalber ausgerechnet: mein 31st-Year) unserem Team an und es entstand ein Zusammenschluss zwischen MANTA und Michaels bemerkenswerter Tauchschule „Sea Bees & Paradise Diving”.

Im Laufe der zwei folgenden Jahre haben Michael und ich nicht nur das faszinierende Schauspiel des kristallklaren Wassers und der darin verborgenen Korallenriffe miteinander erleben dürfen, sondern teilten auch die Vertrautheit des UWC-Spirits. Denn selbst ein Generationsunterschied von mehr als vier Jahrzehnten minderte den Enthusiasmus für unsere gemeinsame Arbeit nicht.

Es war die Diversität innerhalb des Teams, welches unser Projekt so fruchtbar und fesselnd gestaltete. Michaels Expertenwissen lenkte uns oftmals in Richtungen, die wir vorab in keiner Weise betrachtet hatten. Und die frische Schülerperspektive manifestierte sich in kreativen Lösungsansätzen. MANTA profitierte ungemein von den unterschiedlichen Lebenserfahrungen die Michael und ich einbrachten, gedieh jedoch besonders unter unserem gemeinsamen Verständnis des UWC-Leitbilds. Schon unsere erste Begegnung vergegenwärtigte die Idee, dass UWC fürs Leben prägt – nicht nur für zwei Jahre. Michael war der beste Beweis dafür.

Im Gespräch über Michaels Collegezeit machte sich das Bewusstsein breit, dass technologischer Fortschritt, politische Umstände und Zuwachs neuer Colleges zwar einiges innerhalb der UWC-Bewegung verändert haben, vieles aber auch gleichgeblieben ist. Michael selbst betont, dass die Zeit am Atlantic College ohne Zweifel die prägendste Zeit seines Lebens war: „In diesen zwei Jahren wurden moralische und ethische Grundsätze geformt, aber auch die Bedeutung von Toleranz, Akzeptanz und Teamwork erfahren.”

Seine Worte fanden sofortigen Anklang, denn auch ich (wie viele meiner Mitschüler), betrachte meine Jahre am UWC als äußerst formend. Dass unsere Erfahrungen so viele Gemeinsamkeiten aufwiesen, trotz der signifikanten Distanz und der Jahrzehnte, die unsere Collegezeiten voneinander trennten, wirkte zunächst verblüffend. Gleichzeitig ergab es jede Menge Sinn. UWC war schon lange kein Konzept mehr, dass man einfach so in binäre Boxen stecken konnte, um zwischen „damals” und „heute” zu unterscheiden. Ob in den Achtzigerjahren oder jetzt – die Momente, die am College in erlebnisreichen, dynamischen und lehrreichen Rahmen verbracht wurden, verankern essenzielle Grundbausteine für das weitere Leben.

Obwohl ich dieses Jahr erst in das Abenteuer „Leben nach UWC” aufbreche, erzählte Michael mir, wie schwierig es manchmal sein kann, genau diese Grundbausteine inmitten des Berufslebens aufrechtzuerhalten: „In einer Welt die immer kleiner und schneller wurde, war UWC die perfekte Grundausstattung für beruflichen Erfolg. Der Erfolg ließ auch nicht lange auf sich warten: Studium, GM, CPO, COO, CMO… große Unternehmen, weltweite Konzerne, internationale Bühne. Doch je höher die Position, desto größer wurden auch die Kompromisse, desto stärker der Verschleiß – gesundheitlich wie mental. Die Erkenntnis, dass man seine eigenen Werte jeden Tag aufs Neue kompromittiert, kommt oft auch mit gesundheitlichen Opfern. An diesem Punkt, galt es nun die richtigen Schlüsse zu ziehen. Albert Einstein sagte einst: ‚Ziel des Lebens ist es nicht, ein erfolgreicher Mensch zu sein, sondern ein wertvoller.‘ Ein Vorbild im Großen wie im Kleinen. Dies brachte mich zurück an den Tag, als ich doch mit genau diesen Idealen das UWC verließ.”

Was es heißt, UWC auszuleben, hat Michael unumstößlich bewiesen. In seinem Fall hieß das, noch einmal von vorne zu beginnen – mit nicht viel mehr als seiner Liebe zum Meer, die eng mit dem Atlantic College verbunden ist: „So kam ich nach Thailand und zu einer Tauchschule. Wissenschaftliche Kooperationen, lokale Aktivitäten, ethische Ausbildung und die Freude, die Schönheit der Natur täglich erleben zu dürfen und zu ihrem Erhalt beizutragen, bestimmen seitdem mein Leben hier in Asien.”, schildert er rückblickend.

Michaels kontinuierliche Unterstützung für MANTA zeigt, dass UWC ein Leitbild für das ganze Leben sein kann, insofern man das möchte. Michaels Wunsch war das allemal. Immerhin schaffte er es, zu den Wurzeln seiner Lebensvorstellung zurückzukehren. Hier in Asien steht die Faszination für das Meer wieder im Vordergrund. Und im Einklang mit UWC.

Seine Verbindung zum UWC Thailand, das nur knappe 10 km von seiner Tauchschule liegt, beschreibt Michael als ein Gefühl des full circles: „Das MANTA Projekt erlaubt es seitdem einem kleinen Kreis von internationalen Studenten das Meer, welches noch 71% unseren Planeten bedeckt, zu erleben.”

Ich bin unglaublich dankbar für die Möglichkeit, die Welt mit Menschen wie Michael erkunden zu dürfen. Gerade deshalb ist MANTA ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Es verkörpert Ideale des Verantwortungsbewusstseins und die Nähe zur Natur und hat das Potenzial, Großes zu bewegen. MANTA, genau wie UWC, setzt keine Grenzen. Auch ein riesiger Generationsunterschied hat weder Michael noch mich davon, abgehalten Freundschaft zu schließen. Wenn überhaupt, hat es das Ganze spannender gemacht!

Und wie sieht Michael das? „[Unsere Zusammenarbeit] gibt mir den Glauben zurück, dass das Gute im Menschen weiterlebt, die Liebe zur Natur in uns wohnt und die Hoffnung, dass die daraus erwachsene Verantwortung in den richtigen Händen liegt. Es gibt mir das Gefühl, das Richtige zu tun. Kurz gesagt: Ich bin glücklich.”

Wenn ich Michael auf unserem Campus beobachte, zwischen den grünen Wänden und dem noch grüneren Gras, schleicht sich das Gefühl ein, dass auch dreißig Jahre nach dem „UWC-Ende” ein Gefühl von Heimat in seiner Seele tanzt. Ich hoffe, dass ich einer Zukunft entgegenblicke, in der auch meine Begeisterung für UWC niemals ausbrennt.