Tatsächlich hat Till schon sein ganzes Berufsleben lang versucht, „die beiden Stränge Wirtschaft und soziales Engagement zusammenzubringen.“ Das reichte von einer Unternehmensberatung für soziale Projekte bis hin zu „Business Development“ für aidskranke Frauen. Bei der Welthungerhilfe versucht Till, „die Ergebnisorientierung und das Prozess- und Strategiewissen aus der Wirtschaft hinüberzutragen in die Welt der Hilfsorganisationen.“ Er ist überzeugt: „Aus Privilegien erwächst Verantwortung – und jeder, der in Deutschland aufwächst, ist privilegiert.“ Auch wenn Till in der Schule noch nicht genau wusste, was das bedeutet – UWC hat ihn stark geprägt. Der Gedanke der Völkerverständigung ist jetzt Teil seines Alltages. „Ohne UWC wäre ich heute bestimmt nicht da, wo ich bin.“
Till erzählt von seiner professionellen Erfahrung. Während Unternehmen oft wissen, wie sie ihren Erfolg messen, können sie nicht sagen, warum sie ihre Arbeit tun. Hilfsorganisationen hingegen haben das Warum sehr klar definiert, hadern aber manchmal mit dem Wie. Hier kann man voneinander lernen. „Mit mangelndem Unternehmergeist hat das nichts zu tun: Es gibt keine kreativeren Unternehmer als die Ärmsten der Armen, die aus nichts den Lebensunterhalt schaffen müssen.“ Ihnen kann geholfen werden, „indem man sie nicht als Hilfsempfänger behandelt, sondern als Konsumenten, Produzenten, Unternehmer.“ Oft brauchen sie nur Zugang zu Märkten. „Ein Projekt, das Gelder selbst erwirtschaftet, trägt sich langfristig und nachhaltig selbst. In Afghanistan haben wir zum Beispiel über Jahre Bergbauern dabei unterstützt, statt Mohn biologisch zertifizierte Duftrosen anzubauen. Heute ist daraus eine erfolgreiche Firma geworden, die Rosenöl destilliert und auf dem Weltmarkt verkauft, zum Beispiel an Weleda. So wird ein wirtschaftlicher Ansatz zu einem Schlüssel der Armuts- und Hungerbekämpfung.“ Umgekehrt muss man Unternehmen für Gemeinnützigkeit begeistern. Anstatt dies nur aus Imagegründen zu tun, ist es sinnvoller, „die sozialen Themen in die eigentlichen Geschäftsabläufe zu integrieren.“ Das wird auch „Shared Values“ genannt. „Mir ist es lieber, wenn wir Tchibo dafür gewinnen, mit unseren Projekten und Ansätzen die Qualität von nachhaltigem Kaffee in Afrika zu steigern, als wenn sie ein Welthungerhilfe-Logo auf ihre Produkte kleben und uns etwas Geld spenden. Die Rolle von Nichtregierungsorganisationen ist es, Verbindungen und Zugänge zu schaffen.“
Da Till sich so viel mit den Missständen in der Welt befasst, frage ich, woraus er Hoffnung schöpft. Als gelernter Historiker betrachtet Till langfristige Trends. „Der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung hat sich seit 1990 halbiert. Und vor zweihundert Jahren lebten neun von zehn Menschen in absoluter Armut. Jetzt ist es nur noch einer von zehn.“ Klimawandel, Krisen und Kriege führen zu Rückschlägen, aber „zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist eine Welt ohne Hunger möglich. Das macht mir Mut!“ Was der hungerlosen Welt im Weg steht, ist nicht die fehlende Nahrung. „Was uns fehlt, ist der Wille, das Essen gerechter zu verteilen. Hier ist das größte Hindernis kein wirtschaftliches, sondern ein politisches: Demokratien kennen keinen Hunger. Und Kriege und Krisen gehören zu den größten Hungertreibern. Ohne politischen Druck, Kriege wie zum Beispiel im Südsudan und im Jemen zu beenden, wird es auch weiterhin Hunger geben.“ Das klingt nach einer Herausforderung für zukünftige UWC-Alumni-Generationen.