Eltern-Erfahrungsbericht über die Collegezeit meines Sohnes am UWC Atlantic, Wales

Daniel war von 2003-2005 am UWC Atlantic. Hier berichtet sein Vater wie er die Zeit vor und während des Collegeaufenthalts seines Sohnes erlebt hat.

Auf die Frage, ob ich etwas vom UWC gehört hatte, bevor mir mein Sohn das erste Mal davon erzählte, muss ich mit einem klaren Nein antworten. Er tat jedoch alles, um mich zu informieren und zu überzeugen, bis zu dem Punkt an dem ich dachte, wieso hast Du davon vorher noch nichts gewusst.

Allein die Kriterien im  Bewerbungsprozess, die neben annehmbaren schulischen Leistungen aber besonders auch auf zusätzliches ehrenamtliches und soziales Engagement achten, haben mich sehr beeindruckt. Ein weiterer Punkt: Den Jugendlichen wird zuerst, unabhängig von ihrem Hintergrund, das Ergebnis ihres Assessments mitgeteilt und dann mit den Eltern gemeinsam die gesamte familiäre und finanzielle Situation besprochen, um ein mögliches Stipendium situationsbedingt zu gewähren (das geht vom Vollstipendium über Teilstipendium bis zum Selbstzahler).

Bereits nach kurzer Zeit spürten wir die Begeisterung unseres Sohnes, an einem UWC seine schulische Laufbahn fortzusetzen und mit einem International Baccalaureate zu beenden – was in bestimmter Fächerkombination auch die volle Anerkennung an deutschen Universitäten bedeutet. Auch als Eltern hatten wir Gelegenheit uns einen persönlichen Eindruck vor Ort zu machen.

Ich habe selten so eine aktive Offenheit erlebt, mit denen uns die Jugendlichen auf dem Campus begegnet sind, ebenso aber auch die Lehrkräfte und Tutoren.

Es gab eine Internationalität (damals 320 Schüler aus 80 Nationen – Daniel war in einem Viererzimmer mit Schülern aus vier Nationen untergebracht), die uns das Gefühl vermittelte, hier wachsen Jugendliche heran für die der Mensch zählt. Aber ich hatte auch den Eindruck etwas von einer Lernkultur zu spüren, die ich in unserem Schulsystem eher vermisse. Es hatte keinen negativen Touch sich anzustrengen und zu lernen. Eine individuelle Auseinandersetzung der Lehrkräfte  mit Stärken und Schwächen eines jeden Einzelnen habe ich erlebt, ebenso wie die Selbstverständlichkeit mit der sich unser Sohn von seinen Kommilitonen nach einem schön verbrachten Abend später verabschiedet hat, mit der Begründung man müsse sich noch für den nächsten Tag vorbereiten. Diese akademischen Kriterien sind natürlich eher uns als Eltern aufgefallen. Für meinen Sohn, sowie seine vielen Freunde, die wir in den vergangenen Jahren kennenlernen durften, stehen aber bis heute vor allem die extra-curricularen Herausforderungen, die politischen Diskussionen, und die Interaktion mit so vielen verschiedenen Kulturkreisen im Zentrum seiner UWC Erfahrung.

Der Abschluss an einem UWC hat für meinen Sohn daher nicht nur die fundierte akademische Basis für seine weitere Laufbahn gebildet, sondern auch seinen persönlichen Horizont in ganz besonderer Weise erweitert. Auch wenn ich inzwischen einige weitere schulische Institutionen kennenlernte, die auf mich großen Eindruck machten – und die im Übrigen alle einen ähnlichen Ansatz umsetzen, wie ihn auch Kurt Hahn verfolgte – so halte ich die weltweite College-Organisation mit dem UWC als Dachorganisation für beispiellos. Mit fast zehn Jahren Abstand zur Bewerbung meines Sohnes, verfolge ich noch heute beeindruckt die Werdegänge seiner ehemaligen Mitschüler, die nicht vielfältiger und ambitionierter sein könnten.

Ich bin besonders dankbar, dass mein Sohn die Gelegenheit hatte diese außergewöhnliche Erfahrung zu machen und der deutschen Stiftung UWC für die Unterstützung, die sie ihm hierbei hat zukommen lassen. Auch wenn der Abschied sicherlich gelegentlich schwer fällt, so kann ich aus heutiger Sicht anderen Eltern nur empfehlen, ihren Kindern den nötigen Freiraum zu gewähren, um die UWC-Chance zu nutzen.

 

JOACHIM KUHAGEN, 2003-2005 UWC ATLANTIC