5 Generationen – 5 Fragen

In unserem aktuellen Jahresbericht haben wir Absolventen der Jahrgänge 1978, 1988, 1998, 2008 und 2018 dieselben fünf Fragen gestellt und uns so auf eine kleine Zeitreise durch fünf Jahrzehnte UWC begeben.

  1. Wie hast du damals von UWC erfahren und warum wolltest du dich bewerben?
  2. Welche Rolle spielt UWC heute in deinem Leben?
  3. Wie würdest du deinen klassischen Morgen am UWC beschreiben?
  4. Wie sah dein Zimmer aus?
  5. Wie waren die Lehrer-Schüler-Beziehungen am College?

1978 – Judith Koglin (UWC Pearson College)

ist heute Diplompsychologin, nachdem sie 2007 ein zweites Studium an der Uni Würzburg absolvierte. Sie arbeitet seit 2015 selbstständig als systemische Therapeutin, hält Vorträge und gibt Seminare.

  1. Durch Gespräche mit einer älteren Mitschülerin, deren Schwester das Atlantic College besuchte, war meine Neugier geweckt.
  2. Die Grundidee der gemeinsamen, internationalen Bildung Jugendlicher unterstütze ich ehrenamtlich in hiesigen Projekten seit 25 Jahren, insbesondere die Arbeit der Jeunesse Musicales, die hier in Weikersheim ihren Deutschlandsitz hat, und zum anderen durch die Betreuung von Flüchtlingsfamilien. Ich dachte lange, dass es selbstverständlich sei, sich internationaler zu vernetzen. Aber es braucht gut organisierte, gemeinsame Anstrengungen und gute Gelegenheiten, wie die UWCs, die das für möglichst viele gelingen lassen. Dafür setze ich mich zukünftig verstärkt ein.
  3. Oft ohne einen Achtstundenschlaf, aber immer mit ausgiebigem Frühstück vor dem Unterricht, am Wochenende mit einem Spaziergang durch die fantastische Umgebung von Pearson College.
  4. Ein großes Vierbettzimmer mit einer Galerie, die anfangs mit 4 Schreibtischen bestückt war und später mit den beiden Betten und Schreibtischen der älteren Mädchen. Im unteren Teil standen dann 2 Betten plus Nachttisch, 2 Schreibtische sowie 4 Schränke. Die Längsseite des Raumes unten wurde von 2 großen Fenstern eingenommen, auf der Galerie kam Licht über 2 schmale hoch angebrachte Querfenster.
  5. Aus meiner Sicht ausgesprochen gut. Das hatte auch mit der Überschaubarkeit des gesamten Campus zu tun, mit nur 200 Schülern und einer entsprechend überschaubaren Anzahl Lehrer, da kennt jeder jeden nach kurzer Zeit, aber auch mit gemeinsamen Mahlzeiten in einer einzigen großen Caféteria. Man trifft täglich so gut wie alle, und sich aus dem Weg zu gehen, wäre voller Umwege.

1988 – Jan Blum (UWC Adriatic)

leitet heute das Büro der KfW Entwicklungsbank für Äthiopien und die Afrikanische Union in Addis Abeba. 

  1. Durch Gespräche mit einer älteren Mitschülerin, deren Schwester das Atlantic College besuchte, war meine Neugier geweckt.
  2. Einige meiner engsten Freundschaften stammen aus Collegezeiten. Dem College verdanke ich auch meinen heutigen Beruf in der internationalen Zusammenarbeit. Und während meines Auslandsaufenthalts hier in Addis Ababa treffe ich mich alle paar Monate mit dem äthiopischen UWC-Network und anderen Alumni von verschiedenen UWCs.
  3. Die Fensterläden aufklappen und aufs Meer schauen. Verschlafen in den Frühstücksraum tapsen. Bei einer Tasse italienischen Kaffees wach werden. Und dann mit Mitschülern Richtung Schulgebäude ins Dorf hinaufsteigen.
  4. Im ersten Jahr: Ein enges Vierbettzimmer mit einem winzigen Fenster, aber in einem historischen Gebäude auf einer Klippe über der Adria. Oft Ausweichquartier für das durchgehend quirlige Leben im Aufenthaltsraum direkt nebenan.Im zweiten Jahr: ein Zweibettzimmer eines Hotels am hübschen kleinen Hafen von Duino, welches das College aus Raumnot in den ersten Jahren während der Schulmonate dauerhaft angemietet hatte. Kaum zu schlagen war der eigene Balkon mit Meerblick.
  5. Viele habe ich als sehr persönlich und oft inspirierend in Erinnerung, aber auch als so unterschiedlich wie die Lehrer und Schüler selbst.

1998 – Genia Kostka (Li Po Chun UWC)

arbeitet als Professorin für Chinastudien an der Freien Universität Berlin.

  1. Ich habe über eine Freundin in meinem Jugendclub in Berlin vom UWC erfahren. Die Idee, mit Leuten aus aller Welt zusammenzuleben, fand ich super. Es war auch sehr ausschlaggebend, dass es Stipendien gab, da wir sieben Kinder zu Hause waren.
  2. Während meiner Zeit am UWC habe ich ganz China bereist und diese Erfahrungen haben mich dann später dazu inspiriert, meine Doktorarbeit über Zentralchina zu schreiben. Heute bin ich Professorin für Politik Chinas und die ersten Bausteine für diese Berufswahl war natürlich meine UWC-Zeit.
  3. Da wir immer spät ins Bett gingen, war morgens aufstehen schwer…. Duschen und dann schnell in die Kantine hetzen, um noch ein Toastbrot mit Erdnussbutter zu erwischen, und dann ab in den Unterricht.
  4. Wir waren in einem Zimmer zu viert –es gab in jeder Ecke ein Bett, ein Schrank und ein Tisch. Alles sehr schlicht und spartanisch, aber dafür sehr farbig, mit vielen bunten Fotos und Plakaten.
  5. Sehr herzlich – heute bin ich beeindruckt, wie die Lehrer und Lehrerinnen sich in ihrer privaten Zeit für die Schüler und Schülerinnen engagiert haben. Zum Beispiel durfte ich einmal mehrere Tage in einem Gästezimmer bei meiner Chinesischlehrerin Claudia wohnen, als ich mal etwas mehr Ruhe wollte. Noch heute sind Claudia und ich über Wechat (Chinas Version von WhatsApp) in Kontakt.

2008 – Marietta Angeli (UWC Waterford Kamhlaba)

promoviert in Bern und London zur Frage, wie Freihandelsbeziehungen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern gerechter gestaltet werden können. Sie wurde von Forbes im Rahmen der „30 und 30“-Reihe für ihre Forschung geehrt, die sich mit der Frage befasst, ob Entwicklungsländer von globalisiertem Handel profitieren oder nicht. 

  1. Ich war auf einem Amnesty-Seminar in Israel und habe dort einen deutschen UWC-Stipendiaten kennengelernt. Anfangs war ich von dem Eliteförderungscharakter von UWC ein bisschen abgeschreckt, aber habe mich dann überwunden, weil mich das Konzept begeistert hat. Ich fand die Idee schön, buchstäblich unter einem Dach und in einer Gemeinschaft Schule, Engagement und Hobbies zu kombinieren.
  2. Wie wichtig die Freundschaften sind, die ich am College und danach durch UWC gefunden habe, brauche ich wahrscheinlich nicht zu erklären. Erst in den letzten Jahren ist mir aber zusätzlich bewusst geworden, wie sehr diese Erfahrung mich privilegiert hat, in Studium und Beruf gut zu bestehen, gefördert zu werden und ein Netzwerk an Kontakten zu haben, das Möglichkeiten aufzeigt. Das ist natürlich ein großes systematisches Problem: Wer einmal gefördert wurde, hat es viel leichter, weiter gefördert zu werden. Deshalb ist mir die UWC-Taskforce zur Schülerwerbung ein großes Anliegen, um mehr Jugendliche über diese Möglichkeit zu informieren, die ihr Leben – auch über die zwei Jahre IB hinaus – so positiv prägen kann.
  3. In Waterford hatten wir Einzelzimmer, also konnte man, ohne laute Roomies, problemlos verschlafen. Ohne Frühstück, dafür mit Instant Coffee im Thermosbecher, haben wir uns auf den Fluren getroffen und sind zum Unterricht gelaufen.
  4. Mein Cubie war ungefähr sechs Quadratmeter groß und hatte ein großes Fenster mit Blick auf den Berg an unserem Campus. Ich habe mir die Wände rot angemalt und eine mit Bildern von Zuhause, Briefen und Erinnerungen tapeziert. Mit Freunden hatten ich wie viele einen kleinen Kühlschrank, einen Sandwichmaker und einen Wasserkocher in meinem Cubie aufgestellt – eine Miniküche als Ersatz für täglich chicken and rice in der Cafeteria. Zusammen mit meinem geschnitzten Schaukelstuhl und dem Bett sah mein Cubie dann oft mehr aus wie ein kleines, sehr unaufgeräumtes, Cafe, wenn wir dort abends mit unseren Käse-Mayo-Sandwiches und hoch verbotenem Savanna Cider saßen.
  5. Im lokalen Kontext war Waterford die liberalste Schule weit und breit. Ich litt aber trotzdem darunter, so bevormundet zu werden. Das haben wir aber alle unterschiedlich erlebt und bewertet. Umso schöner waren dafür die Beziehungen zu den Lehrern, die aus dieser Kultur herausgestochen haben und uns mit Interesse, Empathie und Begeisterung begegnet sind. Zu diesen Lehrern habe ich heute noch Kontakt und habe meine berufliche Laufbahn ihretwegen eingeschlagen.

2018 – Hubert Garrish (UWC Robert Bosch College)

verbindet mit seinem Studiengang in Abu Dhabi zwei seiner Leidenschaften: Biologie und Theater. 

  1. Als Mitglied in der Landesschülervertretung Hessen habe ich damals eine Mail vom Stiftungsbüro erhalten und da wir oft solche Mails von privaten Institutionen bekamen, war ich zunächst skeptisch. Tatsächlich habe ich aber beim Lesen der Mail sofort gespürt, dass UWC nicht nur irgendeine Privatschule ist, sondern etwas ganz Besonderes.
  2. Tatsächlich würde mein Leben ohne UWC heute ganz anders aussehen, dabei habe ich gerade erst vor ein paar Monaten meinen Abschluss gemacht! Ich bin so unglaublich dankbar für die Menschen, die ich kennenlernen durfte und mir so viel Gutes über diese zwei Jahre beigebracht haben. Nie habe ich mich vorher so sehr wie ein Teil von einer Gemeinschaft gefühlt und das werde ich immer zu schätzen wissen. Natürlich sind die Möglichkeiten und meine Perspektive durch UWC sehr gewachsen.
  3. Mein typischer Morgen begann meist um 7:15 Uhr, da klingelte mein Wecker und meine Routine begann. Diese bestand darin, zunächst mich darum zu kümmern, dass mein Roommate aus Indonesien auch wirklich aus dem Bett kam und dann hüpfte ich schnell unter die Dusche. Ich bemühte mich, immer um 7:40 Uhr in der Mensa zu sein (also planmäßig um 7:36 Uhr das Schülerhaus verlassen), um mit meinen Freunden gemeinsam zu frühstücken und nicht allzu hektisch in den Tag zu starten.
  4. In meinem zweiten Jahr hatte ich eine „Ecke“ im höchsten Schülerhaus und hatte einen wundervollen Blick über das Student Village und die Nachbarschaft Freiburgs. Meine „Ecke“ hatte ich mit Dingen von zu Hause dekoriert und meist war sie überfüllt von unzähligen Büchern und Kritzeleien zu Lösungsansätzen für Mathematik- oder Chemie Probleme. Nichts hat sie aber so schön gemacht, wie die Anwesenheit meiner Roommates Farid, Chutiphon und Wyatt aus Indonesien, Thailand und den USA.
  5. Wenn ich versuche, meiner Familie oder meinen Freunden UWC näher zu bringen, dann erzähle ich ihnen von den tollen Beziehungen, die ich zu meinen damaligen Lehren hatte. Einer meiner denkwürdigsten Momente am UWC war meine letzte Projektwoche an der deutsch-französischen Grenze, wo fünf Schüler und mein Erdkundelehrer ein Theaterstück einstudierten. Wir hatten so eine einzigartige und lustige Zeit und es hat sich keineswegs so angefühlt, als ob wir eine Woche unter ständiger Überwachung unseres Lehrers standen, sondern haben den ganzen Blödsinn einfach mit ihm gemacht!